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Die Bedürfnisse zurückschrauben

IM PORTRÄT / MARIANNE GRONEMEYER

07/10/11 Wer den Salzburger Landespreis für Zukunftsforschung bekommt, der könnte es unter günstigen Umständen sogar zum Festspielredner bringen – oder auch nicht, wie Jean Ziegler, der letzte Preisträger. Heuer ist Marianne Gronemeyer Trägerin der mit 7.500 Euro dotierten Auszeichnung.

Die Erziehungswissenschaftlerin und Autorin Marianne Gronemeyer ist die siebente Trägerin des Salzburger Landespreises für Zukunftsforschung, nach Robert Jungk (1993), Dorothee Sölle (1996), Jakob von Uexküll (1999), Luise Gubitzer (2002), Franz-Josef-Radermacher (2005) und Jean Ziegler (2008). Der Preis wird auf Vorschlag der Robert-Jungk-Stiftung Salzburg alle drei Jahre vergeben.

Marianne Gronemeyer gilt als Kritikerin der modernen Konsumgesellschaft sowie der Versäumnisangst des modernen Menschen. Sie ist bekannt durch Bücher wie "Das Leben als letzte Gelegenheit" oder "Genug ist genug. Die Kunst des Aufhörens". Sie werde als „eine Persönlichkeit geehrt, die sich als Lehrende, Vortragende und Autorin zeitlebens für die Förderung von kritischem Denken und produktivem Zweifel eingesetzt und zugleich gegen den Konsumzwang und die Entertainisierung des Lebens gestellt hat", so LH Gabi Burgstaller.

Gronemeyer war in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung sowie mehrere Jahre im Vorstand von Greenpeace Deutschland aktiv, warnt aber vor hektischem Aktivismus. Als Erziehungswissenschaftlerin verwahrt sich Marianne Gronemeyer gegen die Ökonomisierung des Bildungs- und Wissenschaftsbetriebs sowie gegen die Didaktisierung des Lebens, wie sie in "Lernen mit beschränkter Haftung" (1997) darlegt. Ernsthaftigkeit im Denken könne nicht durch häppchenweise Aufbereitung von Lerninhalten erreicht werden. Gronemeyer schlägt das nicht-erzieherische Gespräch vor: Dieses verzichtet auf den Konsens als Ziel, will den anderen weder manipulieren noch beeinflussen und verändern, sondern ist daran interessiert, durch genaues und sorgfältiges Zuhören die Differenzen, die unterschiedlichen Auffassungen und Sichtweisen herauszuarbeiten und gelten zu lassen.

Kritisch setzt sich Marianne Gronemeyer mit der künstlichen Schaffung von Begehrlichkeiten auseinander. So trägt das erste Buch der Autorin den Titel "Die Macht der Bedürfnisse" (1988, Neuauflage 2002). Sich der Konsumgesellschaft zu entziehen und sich zu besinnen auf die unmittelbaren Lebensbedürfnisse, sieht die Autorin als wichtigsten Akt des Widerstandes gegen das ökologisch und sozial nicht zukunftsfähige Wachstumsmodell.

Die Kritik an der Konsumgesellschaft verbindet Marianne Gronemeyer wesentlich mit dem wenig erforschten Thema der Versäumnisangst des modernen Menschen sowie der Verdrängung der Sterblichkeit in unserer Kultur. Zwei Aspekte, die insbesondere in "Das Leben als letzte Gelegenheit" (1993) ausgeführt werden. In der "Beschleunigung des Lebenstempos", im "Beschleunigungsimperativ", sieht Gronemeyer ebenfalls einen untauglichen Versuch, der Endlichkeit unseres Daseins ein Schnippchen zu schlagen.

Marianne Gronemeyer war schon oft zu Gast in Salzburg, etwa bei den Goldegger Dialogen, an der Pädagogischen Hochschule oder bei der Pädagogischen Werktagung. 1998 war sie in der Reihe "Zukunft in Diskussion" Gast der Robert-Jungk-Stiftung. Ihr Vortrag "Von der Illusion, durch Zeitersparnis Freiheit zu gewinnen" sowie ein Interview zum Thema "Radikal ist, so wie die Dinge liegen, noch immer nicht radikal genug" sind im Buch "Nachhaltig – aber wie? Wege zur Zukunftsfähigkeit" der Robert-Jungk-Stiftung dokumentiert. (LK/dpk-krie)

Die Preisverleihung sowie der Festvortrag der Preisträgerin finden am 4. November um 19.00 Uhr in der Bibliotheksaula der Universität Salzburg statt. Die Laudatio hält Univ.-Prof. Klaus Firlei, Präsident des Kuratoriums der Robert-Jungk-Stiftung.
Bild: www.jungk-bibliothek.at

 

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