Ich bin das Instrument der Komponisten

IM PORTRÄT / GIORA FEIDMAN

13/01/11 „Deutschland ist meine Heimat, überhaupt keine Frage. Ja, ja, ja. Ich bin Jude, aber wenn ich spiele, bin ich Musiker. Sie und ich, wir waren nicht beteiligt am Desaster der Vergangenheit. Warum sollten wir dafür büßen? Wir übernehmen die Verantwortung, wir arbeiten zusammen.“

alt„Mein Vater war – und ist – mein Lehrer“, erzählt der Klarinettist Giora Feidman. „Ich bin die vierte Generation einer Klezmer-Familie. Schon mit neun spielte ich erfolgreich auf Hochzeiten.“ „Klezmer“ heißt nichts anderes als „Instrument“ und wurde zur Bezeichnung für die jiddische Musik des Ostens. „Ich spiele nicht, ich ‚singe’, ohne dabei nachzudenken“, so Giora Feidman. „Die Klarinette ist das Mikrofon meiner Seele. Für mich ist das Musizieren so natürlich wie atmen. Das teile ich mit dem Publikum. Die Zuschauer sind für mich einzelne Seelen, die Körper sehe ich gar nicht.“

Giora Feidman, seine Klarinette und ‚klassisch‘ interpretierte internationale Volksmusik mit Klezmer stehen im Zentrum des Kulturvereinigungskonzerts am Freitag (14.1.) im Großen Festspielhaus.

Der Weltklasse-Klarinettist Feidman, in der Klassik ebenso daheim wie im Klezmer, ist auch ein „improvisierender Komponist“. Sohn bessarabischer Eltern, die um 1905 nach Südamerika auswanderten, geboren 1936, aufgewachsen in Argentinien, wohnhaft in Israel, den USA und Deutschland, tritt der Musiker für Frieden, Völkerverständigung und eine freie Spiritualität ein, welche Kirche, Synagoge und Moschee vereinen könnte.

altVor diesem Hintergrund sind auch viele seiner eigenen Kompositionen, wie etwa „Prayer“ für Soloklarinette, zu verstehen – und wohl auch aus Feidmans Umgang mit den Schatten der Vergangenheit: „Deutschland ist meine Heimat, überhaupt keine Frage. Ja, ja, ja. Ich bin Jude, aber wenn ich spiele, bin ich Musiker. Sie und ich, wir waren nicht beteiligt am Desaster der Vergangenheit. Warum sollten wir dafür büßen? Wir übernehmen die Verantwortung, wir arbeiten zusammen.“

1984 spielte er eine Hauptrolle in Peter Zadeks Inszenierung von Sobols Theaterstück ‚Ghetto‘, was ihn und seine Musik auch hier zu Lande bekannt machte. Auf seinen Konzertprogrammen stehen neben Klezmermusik auch Werke Gershwins, Tangos aus seiner argentinischen Heimat und in den letzten Jahren vermehrt auch sinfonische Musik zeitgenössischer israelischer Komponisten.

Giora Feidmans Auftritte in den deutschen Filmen ‚Jenseits der Stille‘ und ‚Die Comedian Harmonists‘ sowie seine Mitwirkung bei John Williams oscargekrönter Filmmusik zu ‚Schindlers Liste‘ (mit Itzhak Perlman) machten ihn schließlich auch einem breiteren Filmpublikum bekannt.

Aufgrund seiner stetigen Bemühungen um die jüdisch-deutsche Verständigung und Aussöhnung musizierte er 2005 auf Einladung von Papst Benedikt auf dem Weltjugendtag. Darüber hinaus erhielt er in den Jahren 1997 und 2003 den deutschen Musikpreis ‚ECHO Klassik‘ in der Kategorie ‚Klassik ohne Grenzen‘ und im Jahr 2001 wurde ihm vom deutschen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse aufgrund seiner besonderen Verdienste das Großen Bundesverdienstkreuz verliehen.

altEdard Elgar, Béla Bartok, George Gershwin oder Astor Piazzolla sind die geläufigen Namen auf dem Programm der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg unter der Leitung von Juri Gilbo im Großen Festspielhaus. Doch Avraham Zvi Idelsohn, Ora Bat Chaim, Gil Aldema oder Moshe Vilensky liegen Giora Feidman nicht weniger am Herzen.

Avraham Zvi Idelsohn, der aus Lettland gebürtige, in Deutschland und den USA wirkende, in Südafrika verstorbene Erforscher der aschkenasischen und sephardischen Musik des jüdischen Ostens, war auch Komponist. „Hava Nagila“ (Lasst uns glücklich sein), seine Bearbeitung einer chassidischen Volksmelodie, ist eines der berühmtesten hebräischen Lieder.

In dieser Tradition steht auch die israelische Musikerin, Dichterin und Malerin Ora Bat Chaim, über deren Stücke Giora Feidman sagt: „In Oras Musik habe ich eine unerhörte Botschaft gefunden, an der ich Teil haben wollte.“ Es sei bezeichnend, so der Klarinettist, „dass ich beim Film ‚Jenseits der Stille’ gebeten wurde, genau das zu spielen.“

"Ganz generell", betont Feidman: „Ich bin mir sehr bewusst, nur das Instrument der Komponisten zu sein. Es ist ein großes Geschenk für mich, dass ich so viele anregen kann, unglaubliche Dinge für mich zu schreiben…“ Im Falle Ora Bat Chaims bleibt die Anregung in der Familie, denn sie ist Giora Feidmans Frau und war lange Jahre seine Managerin. (Kulturvereinigung/Gottfried Franz Kasparek/dpk)

Freitag (14.1.), 19.30 Uhr, Großes Festspielhaus, Zyklus ‘Welt der Musik‘: Russische Kammerphilharmonie St. Petersburg, Giora Feidman Klarinette, Michael Gershwin Solovioline, Juri Gilbo Dirigent - www.kulturvereinigung.com
Bilder: www.giorafeidman.de