Wenn es einfach wird, beginnt es mich zu langweilen

IM PORTRÄT / GEORG DAXNER

29/12/10 Die letzte Premiere ist erfolgreich über die Manege gegangen. Theater-, Zirkus- und Spiegelzelt sind vier Wochen lang bespielt worden - beim zehnten "Winterfest" im Volksgarten. Dabei hat alles ganz klein angefangen, mit einem Auto aus Belgien - eingeschneit im Volksgarten. Georg Daxner denkt inzwischen längst weiter: "Österreich ist das einzige Land Europas, das keine Zirkusschule hat und das ist ein riesiges Defizit: weil Zirkus eine der großen Kunst- und Kulturformen des 20. Jahrhunderts ist und so viele Spektren menschlichen Lebens abdeckt."

Von Heidemarie Klabacher

altAn diesem 13. Dezember 1998 sei er einsam und allein durch den Volksgarten geradelt, erzählt Georg Daxner im Buch "Die Kunst zu leben". "Im gesamten Volksgarten war keine Menschenseele zu sehen, so weit das Auge reichte nur Schnee und inmitten dieses tristen Winterbildes stand ein verlassener Wagen. Dass der Park einst vom Kaiser dem Volke als Ort des Vergnügens geschenkt wurde, ließ sich nicht einmal ahnen." Das sollte sich ändern.

In zehn Jahren Winterfest hat Georg Daxner tatsächlich eine Kunstform nach Salzburg gebracht, die in der kulturell übersättigten Stadt vorher einfach nicht vorhanden war: modernen poetischen Zirkus, der immer wieder neue Geschichten vom Menschen erzählt, in denen die atemberaubendste Akrobatik meist ganz "zufällig" passiert… "Nouveau Cirque " eben. Dass sogar die Einrichtung einer Internationalen Zirkusschule in Salzburg inzwischen mehr ist, als eine Daxner'sche Vision, ist ein weiterer Erfolg des "Zeltspezialisten und Zirkusnarren".

Tatsächlich sehe er sich weniger als "Veranstalter", denn als "Kunstermöglicher", sagt Daxner im Kapitel "Der Mut zu scheitern". Robert Rosenstatter und Peter Daniell Porscher haben das Buch "Die Kunst zu leben" herausgegeben, und darin Menschen etwa aus dem Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsleben zu Wort kommen lassen. Und eben Georg Daxner.

Er habe immer wieder Projekte initiiert und verwirklicht, denen man oft kaum eine Chance gegeben habe, "weil sie zu größenwahnsinnig wirkten". Auch vom Winterfest hätte "alle" gesagt, "dass es wirtschaftlich nicht realisierbar sei".

Georg Daxner macht von sich reden. Aber wer weiß, dass er seinerzeit "der erste richtige Angestellte im Kulturgelände Nonntal war"? Als Tiefbauer sei er dort in Zeiten des Aufbaus ein gefragter Mann gewesen. Danach hieß es, solle er eben das Programm machen: "Eine meiner ersten Amtshandlungen als Programmgestalter war es, eine Zirkus-Compagnie einzuladen: das Zirkustheater Federlos." Damit war Daxners Zirkuszelt-Leidenschaft ein für alle Mal ausgebrochen. "Von einem Tag auf den anderen habe ich alles - meine Bleibe, meine Existenz - abgebrochen und bin mit Frau, Kind und Hund in die Schweiz gegangen."

altNach einem Jahr Schweiz - Frau und Kind auf, er selber hinter der Bühne - habe er in Salzburg mit dem Theater Yby für ein interkulturelles Theaterprojekt ein Zelt aufgebaut. Das Stück war "katastrophal schlecht". Aber das Zelt ist geblieben - und es kamen immer weitere Zelte dazu: So ist Daxner ganz unvermutet Zeltverleiher geworden. Danach hat er den legendären "Que-Cir-Que" beinahe gestalkt mit dem Ansinnen, sie mögen doch für ein Gastspiel einmal nach Salzburg kommen… Das hat stattgefunden und dabei ist es, bekanntlich, nicht geblieben.

Dabei sei der Zirkus für Georg Daxner keineswegs der Ort gewesen, an dem er sich schon als Kind daheim gefühlt habe: "Da gab es unglückliche Tiere, halblustige Clowns und ungesunde Kinderathleten." Mit diesem traditionellen Zirkus habe das, was er mache, nur die Manege gemein. Und die Lust am Nicht-Sesshaften: "Vorfahren von mir waren Zigeuner."

Die Gefahr, dass das großformatige Winterfest erstarre und zum bürokratielastigen "Kulturveranstalter" degeneriere und "zur Gewohnheit" werde, siehe er nicht: "Nicht, wenn man sich und das Projekt ständig hinterfragt." Was man im Kulturbetrieb nie und nimmer zu hören bekommt, weil es quasi ein verbotener Gedanke zu sein scheint, Georg Daxner spricht es aus: "Nirgends steht geschrieben, dass Projekte endlos existieren müssen."

Radikal kann er auch sein: "Ich könnte sogar so weit gehen und behaupten, das Zeitalter des Handys hat Freiräume wie die ARGE obsolet gemacht. Wir haben uns damals in der ARGE getroffen, um uns dort zu verabreden. Heutzutage verabredet man sich per SMS." Beim Winterfest sei ebenfalls der Zeitpunkt gekommen, "an dem andere Leute in die erste Reihe treten und den operativen Bereich übernehmen sollen".

Georg Daxner braucht die Zeit - er will eine Zirkusschule gründen.

"Österreich ist das einzige Land Europas, das keine Zirkusschule hat und das ist ein riesiges Defizit: weil Zirkus eine der großen Kunst- und Kulturformen des 20. Jahrhunderts ist und so viele Spektren menschlichen Lebens abdeckt." In Paris etwa stehe die Zirkusschule Fratellini genau dort, wo man im Fernsehen die brennenden Autos gesehen hat: "Dort holt man die Kids, die unglaublich viel Potentioal haben, von der Straße ab und führt sie zur Kunst hin." Ihr Potential werde von einem brennenden Auto zu einem doppelt gestandenen Salto gelenkt. "Auch im Volksgarten sehe ich immer wieder Seiltänzer und Jongleure. Nur bildet sie niemand aus."

Auch für ihn selber sei Leben ein "ewiges Lernen": "Ich kenne einige Menschen aus meiner Jugend, die heute immer noch dort sind, wo sich unsere Wege trennten." Das mache ihn traurig, sei für ihn aber auch ein Spiegel: "Dass ich stehen geblieben bin, kann ich von mir nicht behaupten."

Alle Zitate in direkter und indirekter Rede stammen aus dem Buch von
Robert Rosenstatter und Peter Daniell Porsche (Hg.): Die Kunst zu leben. Kulturverlag Polzer, Salzburg 2010. 254 Seiten, 24,90 Euro.
Bilder: dpk-krie