In Salzburg katholisch geworden

HERMANN BAHR / 160. GEBURTSTAG

19/07/23 Was man von ihm heutzutage kennt? Die Komödie Das Konzert ist heimisch geworden auf den Bühnen. Heute vor 160 Jahren, am 19. Juli 1863, wurde Hermann Bahr geboren. Er war ein Vordenker der Salzburger Festspiele. Seine Salzburg-Bezüge sind Thema eines bei Pustet erschienenen Buchs.

Der gebürtige Linzer besuchte in Salzburg ab November 1878 bis 1881 das Benediktiner-Gymnasium in Salzburg. Er beendete seine Schulzeit als einer der herausragendsten Absolventen, weswegen er die Abschlussrede halten durfte. Diese Rede zum Thema Der Wert der Arbeit hat angeblich wegen ihrer sozialistischen Aussage zu einem kleinen Skandal geführt. Bahr ging dann nach Wien um Jus zu studieren, und in diesen Jahren hat er sich politisch durchaus dem Zeitgeist verschrieben. Er bewegte sich im Dunstkreis der Wiener akademischen Burschenschaft Albia. Trotz Mensur verweigerte er aus Rücksicht auf seinen Vater eine echte Mitgliedschaft. Er lernte Georg von Schönerer, den Führer der Deutschnationalen, kennen und wurde in der Alldeutschen Bewegung aktiv.

Wegen einer das multinationale, habsburgische Österreich ablehnenden Rede beim deutschnationalen Trauerkommers für Richard Wagner wurde er im März 1883 von der Universität Wien verwiesen. Hermann Bahr studierte daraufhin jeweils nur wenige Monate lang in Graz und in Czernowitz. Im März 1884 schrieb er sich an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin ein, wo er Nationalökonomie bei Adolf Wagner und Gustav von Schmoller hörte. Gleichzeitig besuchte er auch Vorlesungen in Philosophie, Geschichte, Literatur und Kunstgeschichte. Ohne akademischen Abschluss versuchte Bahr, nun Mitarbeiter der Zeitschrift Freie Bühne, eigene Zeitungsprojekte auf den Weg zu bringen. Zum wichtigsten Verlag für seine Bücher wurde damals der 1886 gegründete S. Fischer Verlag in Berlin. Durch die Bücher Bahrs sowie durch ihn vermittelte Titel wurde S. Fischer zu einem der wichtigsten Verlage für die moderne Literatur. 1891 reiste Bahr nach St. Petersburg, wo er Eleonora Duse kennenlernte und sie mit Feuilletons in Deutschland und Österreich-Ungarn bekannt machte.

Wieder in Wien, schloss er Bekanntschaft mit Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler, Peter Altenberg und anderen Schriftstellern. Die neuen literarischen Tendenzen, mit denen er so in Kontakt kam, machte Bahr unter dem Namen Jung-Wien publizistisch bekannt, wobei Fischer als Verleger fungierte und Bahr selbst zum Sprachrohr dieser Strömung wurde. Ein Buch mit gesammelten Kritiken aus dieser Zeit trägt den programmatischen Titel Die Überwindung des Naturalismus (1891). In Wien arbeitete Hermann Bahr ab 1892 als Kulturredakteur und Theaterkritiker.

Eine von ihm geführte Interviewreihe zum Antisemitismus, die auch als Buch erschien, ist möglicherweise das erste deutschsprachige Interviewbuch. Er war beruflich unstet, arbeitete für die unterschiedlichsten Zeitungen. Außer als Theaterkritiker trat Bahr in dieser Zeit zunehmend auch als Kritiker der bildenden Kunst hervor. Für die neugegründete Secession wurde er Berater und schrieb Programmatisches für ihre Zeitschrift Ver Sacrum. Von 1897 bis zu seiner Deckung 1907 war Bahr Mitglied der Loge Freundschaft. Max Reinhardt holte den umtriebigen Hermann Bahr mehrmals als Regisseur nach Berlin ans Deutsche Theater. Das Bühnenbild einer Ibsen-Inszenierung stammte von Edvard Munch.

Für größere und kleinere Erregungen war Hermann Bahr immer gut. 1896 lieferte er sich nach einem Streit mit antisemitischen Studenten ein Säbelduell, wobei er für einen Redaktionskollegen eingetreten war, der als Jude für nicht satisfaktionsfähig galt. Karl Kraus war ein Intimfeind Bahrs, dessen Name in der Fackel angeblich nach Goethe und Shakespeare am dritthäufigsten vorkommt – eher als abschreckendes Beispiel. Kraus hatte herausgekriegt, dass ein Wiener Theaterdirektor Bahr ein Grundstück geschenkt hatte, im Gegenzug für positive Berichterstattung. Auf diesem Grundstück baute der Architekt Joseph Maria Olbrich für Bahr eine Villa. Ein Ausstattungsstück war das Klimt-Gemälde Nuda Veritas. Die Porträtzeichnung oben stammt übrigens von Kolo Moser.

In den beginnenden Jahren des 20. Jahrthunderts wurde Hermann Bahr zu einem international wahrgenommener Feuilletonisten und Kritiker. 1912 übersiedelte er mit seiner zweiten Frau, der bekannten Sängerin Anna Bahr-Mildenburg, nach Salzburg. Hier bewohnte er bis 1922 das Schloss Arenberg. In Salzburg konvertierte Hermann Bahr zum katholischen Glauben und besuchte, so wird berichtet, nunmehr täglich die Messe. Von seinen Freunden wurde der Wandel ebenso ungläubig beobachtet wie von katholischer Seite, die beide meinten, darin einen Spleen zu erkennen. Doch Bahr blieb katholisch bis zu seinem Lebensende. So wurde er auch katholischer Publizist!

Bahr war auch ein früher Ideengeber für die Salzburger Festspiele. Hermann Bahr war in Salzburg selbstverständlich mit Stefan Zweig bekannt. Den größten Teil seiner rund 12.000 Bände umfassenden Büchersammlung hat er der Salzburger Studienbibliothek, der heutigen Universitätsbibliothek, überlassen. In der Öffentlichkeit war er noch einmal stark präsent, als er von September 1918 bis ins Frühjahr 1919 als erster Dramaturg am Wiener Burgtheater wirkte. 1922 übersiedelte Bahr nach München, wo seine Frau 1920 eine Professur angenommen hatte und er bis zu seinem Tode 1934 lebte. Er wurde, wie später Anna Bahr-Mildenburg, in einem Ehrengran auf dem Salzburger Kommunalfriedhof bestattet.

Anlässlich des 160. Geburtstags ist im Salzburger Verlag Anton Pustet der reich illustrierte Band Hermann Bahr und Salzburg erschienen, der als Projekt des Literaturarchivs in Zusammenarbeit mit dem Theatermuseum Wien entstand. (dpk-krie)

Bilder: Wikimedia
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