Feingold die Menge

TODESFALL / CHRISTA LUDWIG

26/04/21 „She is simply the best, and the best of all possible human beings.“ So Leonard Bernstein über die Sängerin Christa Ludwig. Auch unter ihm hat sie bei den Salzburger Festspielen gesungen, wo sie 169 Mal aufgetreten ist. Im Alter von 93 Jahren ist die Künstlerin am Samstag (24.4.) gestorben.

Von Reinhard Kriechbaum

Für Christa Ludwig wiederum war Bernstein der „Herrlichste von allen“, verriet sie vor ein paar Jahren in einem Interview für die FAZ. In Salzburg freilich waren Karl Böhm und Herbert von Karajan die wichtigeren dirigierenden Partner. Ersterer holte sie 1955 an die Wiener Staatsoper und im gleichen Sommer nach Salzburg. Und zu Karajan fällt einem natürlich sofort Christa Ludwig als Octavian im Rosenkavalier ein. Diese Rolle allerdings sang sie hierorts noch nicht bei der Eröffnung des Großen Festspielhauses, sondern erst ein Jahr später, 1961. (Im Bild mit Anneliese Rothenberger)

Ab 1969 gab sie dann die zentrale Partie in der Oper von Richard Strauss: „Zum ersten Mal singt Christa Ludwig nun auch in Salzburg die Marschallin. Sie ist seit dem Wiener Debüt unter Leonard Bernstein in die Partie zweifach hineingewachsen, hat sie sich zu Eigen gemacht. Schöner in allen Lagen, emotioneller in der Höhe, farbenreicher in Mittellage und Tiefe hat die Ludwig nie gesungen als an diesem Abend“, schwärmte Hans Heinz Stuckenschmidt in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Ein langes Stück Festspiel-Geschichte hat Christa Ludwig mitgeschrieben, und diese dauerte bis zuletzt an: Auch für den kommenden Festspielsommer war eine Master Class geplant. Die Künstlerin gab ja im Rahmen des „Young Singers Project“ über Jahre ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. Zu diesen Erfahrungen gehörte auch die Mühsal eines Lebens im Dienste der Kunst. Nachdem sie 1993/94 Abschied genommen hatte von Bühne und Podium (im Dezember 1994 sang sie an der Staatsoper als Letztes die Klytämnestra in Elektra) war ihr auch ein gerüttelt Maß Erleichterung anzumerken, die sich auch in ihrer Autobiographie ...und ich wäre so gern Primadonna gewesen und in einem Buchbeitrag Christa Ludwig: Opfern für den Schönklang niederschlug. Zu den Veränderungen im Sängerberuf hat sie sich wiederholt sehr kritisch geäußert.

Sie selbst war im besten Sinn behütet: Ihr Vater Anton Ludwig war Sänger und Opernintendant, ihre Mutter Eugenie Besalla war Altistin und Gesangspädagogin. Die Mutter war die einzige Gesangslehrerin ihrer Tochter; bis weit hinein in den Verlauf der Karriere ihrer Tochter beobachtete und förderte sie deren stimmliche Entwicklung. Als Achtzehnjährige sang Christa Ludwig schon an der Oper Frankfurt den Prinzen Orlowsky in der Fledermaus. Frankfurt, Darmstadt und Hannover waren weitere Stationen, bevor sie Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper wurde. Eine weniger bekannte Facette aus ihrer frühen Zeit: Christa Ludwig wirkte regelmäßig bei den Donaueschinger Musiktagen für zeitgenössische Tonkunst mit und sang dort Werke von Luigi Dallapiccola, Pierre Boulez und Luigi Nono.

In Wien brachte sie es auf 769 Aufführungen in 42 verschiedenen Partien. Im Bild in der Uraufführung von Gottfried von Einems Der Besuch der Alten Dame, 1971.In Salzburg waren es 126 Opernvorstellungen, 21 Liederabende, 18 Orchesterkonzerte und eine Matinee. 1955 debütierte sie unter Sir Georg Solti als Zweite Dame in der Zauberflöte. Im gleichen Jahr übernahm sie von Irmgard Seefried die Rolle des Komponisten in Karl Böhms legendärer Interpretation der Ariadne auf Naxos. Walther Friedländer schrieb in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Was man von Christa Ludwig hören und sehen kann, fordert zum Vergleich mit den bedeutendsten Vorbildern heraus: präziseste Führung des Organs, höchstes klangliches Ebenmaß und feinste Schattierungen, dazu ein Spiel das dem Ungestüm der Figur ganz gerecht wird. Christa Ludwig ist eine große Sängerin geworden.“

Ab den 1960er Jahren sang Christa Ludwig bei den Bayreuther Festspielen Brangäne und Kundry, an der Mailänder Scala stand sie neben Maria Callas auf der Bühne. Über Jahrzehnte war sie Stammgast an der New Yorker Met. „Christa Ludwig war bereits zu Lebzeiten eine Legende. In Oper, Oratorium und Lied setzte Christa Ludwig mit ihrem Gesang und ihrer Persönlichkeit vergleichslose Maßstäbe“, so Intendant Markus Hinterhäuser über die Mezzosopranistin, die auch dramatische Sopranpartien ausfüllte. Sie war eine große Liedgestalterin, 1993 nahm Christa Ludwig in einem Liederabend Abschied vom Festspielpodium.

„Die Salzburger Festspiele verdanken Christa Ludwig unvergessliche Sternstunden. Sie gehörte zu jenen Künstlern, die den Festspielen ihren herausragenden internationalen Ruf gegeben haben“, so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler. 2013 wurde Christa Ludwig mit der Festspielnadel mit Rubin gewürdigt.

Auf legendäre Konzerte und Opernaufführungen verweisen auch die Wiener Philharmoniker in einem Nachruf, seit 1995 war die Sängerin auch Ehrenmitglied des Orchesters. Rund 130 Mal ist sie in Philharmoniker-Konzerten aufgetreten. Das letzte gemeinsame Konzert mit den Wiener Philharmonikern fand bei den Salzburger Festspielen statt, im Juli 1993, mit Mahlers Zweiter Sinfonie unter Lorin Maazel.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli (1); Ellinger (1); Wiener Staatsoper (1)