Aus der Musik Führungskompetenz lernen

IM PORTRÄT / BENJAMIN ZANDER

20/06/18 Zwischen 12 und 21 Jahre alt sind die 120 Musikerinnen und Musiker des Boston Philharmonic Youth Orchestra. Am Mittwoch (20.6.) lässt dieses Orchester unter der Leitung von Benjamin Zander im Großen Saal des Mozarteums Gustav Mahler „Neunte“ hören.

Von Reinhard Kriechbaum

Außerdem auf dem Programm: „La Valse“ von Maurice Ravel und ein Stück des hierzulande so gut wie unbekannten englischen Komponisten George Butterworth (geboren 1885), der 1913 im Ersten Weltkrieg umgekommen ist. In diesem seinen letzten Lebensjahr schrieb er „ The Banks of Green Willow“.

Gründer (2012) und Leiter des Boston Philharmonic Youth Orchestra ist der 1939 geborene Engländer Benjamin Zander. Er ist auch Künstlerischer Leiter des Boston Philharmonic Orchestra. Auf Zander wurde in jungen Jahren Benjamin Britten aufmerksam. Er lud das Kind und seine Familie während dreier Sommer auf seinen Wohnsitz in Aldeburgh ein. Dort erhielt Benjamin Zander Unterricht in Musiktheorie und Komposition bei Brittens Assistentin Imogen Holst, der Tochter von Gustav Holst. Wenn das kein Start in eine große Tradition ist...

Mit jungen Leuten hat sich auch Benjamin Zander sein Leben lang beschäftigt. Ab 1967 unterrichtete er am New England Conservatory in Boston. Er leitete Interpretationsklassen und dirigierte das New England Conservatory Youth Philharmonic Orchestra. In 32 Jahren unternahm er mit dem Orchester dreizehn internationale Konzerttourneen, spielte fünf kommerzielle Plattenaufnahmen ein und nahm mehrere Fernsehdokumentationen für den Public Broadcasting Service auf.

Das Konzertprogramm der gegenwärtigen – fünften – Europa-Tournee des Boston Philharmonic Youth Orchestra kreist um das Ende des Ersten Weltkriegs. Auf die Frage, was Jugendliche mit Mahlers epischer Neunter Symphonie anfangen können, antwortet der vom Boston Globe als „einer der führenden Mahlerianer unserer Zeit“ bezeichnete Dirigent und Musikvermittler Benjamin Zander: „Alles! Sie sind von der unglaublichen Schönheit dieses überaus berührenden und an Komplexität nicht zu übertreffenden Werks überwältigt!“

Zu Mahler Neunter Symphonie hat Benjamin Zander ein besonderes Naheverhältnis: Er spielte das Werk (neben sämtlichen Symphonien von Mahler und Beethoven) mit dem Philharmonia Orchestra London ein. Zwei dieser Mahler-Aufnahmen – jene der Zweiten und eben auch der Neunten Symphonie – wurden damals für einen Grammy nominiert.

Einen Namen hat sich Benjamin Zander aber auch mit seinen musiksoziologischen Überlegungen und Kursen über die Zusammenhänge zwischen Musik und Teamführung gemacht. Mehrmals war er in diesem Zusammenhang zum Weltwirtschaftsforum in Davos eingeladen. Mit seiner Frau, der Psychotherapeutin Rosamund Zander, veröffentlichte er das Buch „The Art of Possibility“, das in sechzehn Sprachen übersetzt wurde. Vom International Council for Caring Communities (ICCC) wurde Benjamin Zander 2002 als „Caring Citizen of the Humanities“ ausgezeichnet.

Auch in Salzburg wird Zander als Vortragender in Erscheinung treten. Dass Musik Persönlichkeit bildet, wird nämlich in einem Gesprächsworkshop für Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren zum Thema gemacht:„The World of Possibility“ ist das Motto der Veranstaltung im Wiener Saal (18 Uhr), die sich auch an junge Menschen aus Einrichtungen der Caritas Salzburg, etwa an Jugendliche aus den Caritas Lerncafès richtet. Die Caritas ist Mitveranstalterin des Konzerts. Nach Zanders Überzeugung trage jeder Mensch Führungsqualitäten in sich, und speziell die Musik könne dazu beitragen, diese zu entwickeln. Die Mitglieder des Boston Philharmonic Youth Orchestra erfahren dies jede Woche mit Zanders „White Sheet Assignments“: Mit „leeren Zetteln“ lädt Zander zur Reflektion über Führungsthemen ein und ermutigt zum Gedankenaustausch über die eigene musikalische oder persönliche Entwicklung.

Konzert am Mittwoch (20.6.) um 19.30 Uhr im Großen Saal des Mozarteums. Anmeldung zum Gesprächsworkshop (18 Uhr, Wiener Saal): Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Bilder: BPYO / Paul Marotta