Straußenfedern waren gestern

INTERVIEW / HEIMO KAINDL

09/03/20 Dieser Tage wurde bei der Monumento Salzburg, der Fachmesse für Kulturerbe und Denkmalpflege, ein Buch vorgestellt, das bald in allen Sakristeien der rund zehntausend Kirchen in Österreich aufliegen sollte. Schöne Kirche. Der schlichte Titel ist Programm. Es geht darum, wie man kirchliche Kunst- und Kulturgüter pfleglich behandelt.

Von Reinhard Kriechbaum

Heimo Kaindl, der Diözesankonservator der Diözese Graz-Seckau und Leiter des Grazer Diözesanmuseums, ist einer der Herausgeber. „Ich brauche in Wahrheit nicht mehr als Schmierseife“, sagt er im Gespräch mit dem DrehPunktKultur, das rasch um die Frage kreist, welche Fehler denn im Alltag am häufigsten gemacht werden. Reinigungsmittel, wie sie im Baumarkt im Regal stehen, „die sind mein Lieblingsfeind“, sagt Heimo Kaindl. „Flüssige Scheuermittel“, warnt er.

Das Buch Schöne Kirche will jenen Menschen eine Anleitung geben, die quasi täglich – oder wenigstens sonntäglich – mit kirchlicher Kunst auf Tuchfühlung gehen. In den 10.000 Kirchen Österreichs sind ungefähr 25.000 Mesnerinnen und Mesner tätig, die meisten ehrenamtlich. Vielerorts sind Teams am Werk, drei bis zehn Leute teilen sich die Arbeit. „Die gehen nicht alle in Ausbildungskurse“, weiß Heimo Kaindl. So also sei die Idee zu diesem Buch entstanden, dessen breitenwirkung wohl nicht zu unterschätzen ist. Die zehn Diözesankonservatoren (in Salzburg Roland Kerschbaum), das Bundesdenkmalamt, die kirchlichen Bauabteilungen, sie alle haben ihre Expertise eingebracht. Die Österreichische Bischofskonferenz und die Österreichischen Ordenskonferenz haben das Buch finanziert. Die Pfarren werden Schöne Kirche für ihre Mesnerinnen und Mesner zur Verfügung gestellt bekommen, man kann das Buch aber auch kaufen. Der unprätentiöse Titel Schöne Kirche ist übrigens dem Tiroler Bischof Hermann Glettler eingefallen, der seit kurzem in der Bischofskonferenz für die Kunst- und Kulturagenden zuständig ist.

Wie also putzt man einen Kelch, ohne die nur Bruchteile von Millimetern dünne Vergoldung zu zerkratzen oder überhaupt wegzuscheuern? Sidol ist ganz falsch. Wie lagert man Paramente (Messkleider)? Es empfiehlt sich, Kleiderbügel odentlich zu polstern. Übrigens, man kann sowohl beim Einkauf von Kerzen, aber auch beim Erwerb von Putzmitteln auf Nachhaltigkeit achten.

Kein Wunder, dass dem Thema „Raumklima, Lüften und Heizen“ das erste Kapitel gilt. Das Klima verändert sich nicht nur global, die Erwärmung draußen hat auch Auswirkungen auf Kirchenräume. Die Altvorderen wussten: In Monaten ohne „r“ bleibt die Kellertüre zu. Das gilt auch für Kirchen, denn lüftet man zur Unzeit, strömt wareme, feuchte Luft und schlägt sich auf kaltem Gemäuer, kalten Heiligenfiguren und ebenso auf kalten Orgelpfeifen nieder. Der Schimmel ist ein Hund.

A propos Figuren: Wenn solche gerade nicht in der Kirche stehen, sondern in der Sakristei lagern (Krippenfiguren verbringen dort immerhin zehn Monate im Jahr), wäre es eine denkbar schlechte Idee, sie mit Plastik zuzudecken, warnt Heimo Kaindl. Darunter könnte Feuchtigkeit kondensieren.

Nett ist das Titelfoto des Buches. Da wird ein Barockengel abgestaubt. Manchmal prallen auch unter Konservatoren Schulmeinungen aufeinander, weiß Heimo Kaindl. Straußenfedern oder Lammfellwedel ist eine jener Fragen, an denen sich die Geister scheiden. Freilich, die Daunenfedern vom Strauß sind eine tolle Sache, aber nur, solange genug weicher Flaum dran ist. „Die Rippe darf nicht kratzen“, warnt Kaindl vor längerem Gebrauch. „Von der jungen Generation wird deshalb der Lammfellwedel als einziges propagiert.“ Vogel Strauß beim Abstauben war gestern!

Was dürfen Laien, wovon sollten sie besser die Finger und Putzlappen lassen? Da ist logischerweise Pragmatismus gefragt, denn „die Kirche ist ein Gebrauchsraum“. Mesnerinnen und Mesner müssen abstauben und sauber machen, auch wenn im Einzelfall Profi-Denmalschützer die Stirn runzeln.

Schöne Kirche. Handbuch zur Pflege kirchlicher Kunst- und Kulturgüter. 184 Seiten, 192 Abb., Verlag Diözesanmuseum Graz