Der Ruf des weißen Goldes

GESCHICHTE / SALZKAMMERGUT

16/10/18 Tatsächlich: Salzburg schickte einst Kolonisten ostwärts. Salzburger Salzknappen zerstörten habsburgische Sudpfannen und man machte das noch junge Hallstatt dem Erdboden gleich.

VON STEFAN MAYER

Auf dem 957 Meter hohen Pass Gschütt zwischen Rußbach und Gosau erinnert heute ein Gedenkstein, dass im Oktober 1535 erstmals eine „ewige Gemarkung“ die Grenze zwischen Oberösterreich und Salzburg festhielt. Die Jahrhunderte zuvor waren wesentlich unruhiger. Grund dafür war die Quelle des Salzburger Reichtums: das weiße Gold.

Vom Salz gab es nämlich in der Region in Hülle und Fülle – für Salzburg dummerweise auf der falschen, der habsburgischen Seite. Der Salzabbau stand während der Hallstatt-Zeit im ersten vorchristlichen Jahrtausend in seiner Blüte und war im Mittelalter wiederaufgenommen worden. Jetzt weckte er die Begierde der Salzburger. Sie ließen nichts unversucht, um aus der idealen Kombination von Waldreichtum und Salzvorkommen Vorteile für sich zu ziehen. Obendrein war in Goisern noch ein zusätzlicher Salzberg entdeckt worden.

Mönche aus St. Peter und Salzburger Leibeigene wurden über den Pass geschickt und besiedelten die Gegend um den Ort Gosau. Doch Habsburgerherzog Albrecht I. beanspruchte die Region ebenfalls für sich und baute einen Turm als Wehranlage, der sich schon gleich nach Fertigstellung 1284 gegen Angriffe der Salzburger bewährte.

Eben ins Amt gekommen, fiel Erzbischof Konrad IV. sieben Jahre später mit hundert Reitern und zweitausend Mann Fußvolk ins habsburgische Salzkammergut ein. Mit dabei waren Knappen vom Bergwerk in Hallein. Sie hatten die Aufgabe, sie beiden kurz zuvor von den Habsburgern errichteten Sudpfannen fachgerecht zu zerstören. Auch der eben entstehende Ort Hallstatt blieb vom Salzburger Feldzug nicht verschont.

Albrecht I. verlor im Salzkrieg ein Auge, der Erzbischof das Salz im Osten. Gosau wechselte – gegen eine stattliche Zahlung – vom Erzbistum Salzburg zum kaiserlichen Kammergut, also in den unmittelbaren Besitz des Habsburgers. Der verpflichtete sich im Gegenzug, das Salzsieden sein zu lassen; vorerst, denn kaum zwanzig Jahre später ist eine Saline in Hallstatt urkundlich belegt, die Einnahmen rieselten in die Privatschatulle der Habsburger, und die Konkurrenz und der fehlende Absatzmarkt im Osten setzte der Salzburger Salzwirtschaft über Jahrhunderte gehörig zu.

Gosau spielte für Salzburger Siedler erneut eine Rolle, als das abgelegene Tal in der Zeit der Gegenreformation verfolgten Protestanten Zuflucht bot. Um dem Wehrdienst und damit einem Glaubensbekenntnis zu entgehen, wurden in Gosau eine Zeitlang nur Mädchen geboren – dem Taufschein nach jedenfalls. Andererseits war jede männliche Arbeitskraft begehrt, weshalb man es hinsichtlich des „rechten“ Glaubens im Salzkammergut nicht ganz so eng sah.

Zu Fronleichnam 1601 schickten 300 bewaffnete evangelische Gosauer Holzknechte die aus Abtenau kommende Prozession, immerhin 1.000 Katholiken, zurück ins Lammertal. Als die aufständischen Protestanten den kaiserlichen Pfleger in seiner Burg bei Bad Ischl belagerten, rief der Habsburgerkaiser Rudolf II. den Salzburger Erzbischof zu Hilfe, der 1.000 Mann Fußvolk und 200 Reiter zum Pass Gschütt schickte und die Rebellion erstickte. Die Andersgläubigen praktizierten ihren Glauben geheim weiter. Noch heute sind fast drei Viertel aller Gosauer evangelisch.

Weit weniger dramatisch erfolgt seit einigen Jahrzehnten die geografische Ausweitung des Salzkammerguts nach Westen. Den klingenden Namen haben Touristiker im Salzburgischen seit rund zwanzig Jahren als zugkräftige Werbemarke entdeckt, und so ist das historisch einst strikt habsburgische Salzkammergut vom Wolfgangsee über Fuschl, Faistenau und Hintersee bis nach Koppl und Ebenau gewachsen.

Zehn Prozent des heute als Salzkammergut bezeichneten Gebiets von rund 2.500 Quadratkilometern befinden sich auf Salzburger Boden. Die obersten Richter stellten 2014 nach einem Rechtsstreit fest, dass für das Salzkammergut „keine exakte geografische Gebietsabgrenzung“ bestehe. „Nach anfänglicher Skepsis wird die Begriffserweiterung auch in Oberösterreich entspannt gesehen. Doch spätestens an der A1 ist Schluss“, räumt Hildegund Schirlbauer, Geschäftsführerin der Urlaubsregion Fuschlsee-Salzkammergut ein. Thalgau hat Ende 2016 ohnehin freiwillig den Salzkammergut-Verbund verlassen.

Die Salzburger Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Landes. Autor Stefan Mayer beschäftigt sich seit 2002 mit grenzfälligen Besonderheiten in und um Salzburg, die bereits vier Bücher füllen. Es gibt sie auf Papier, sie stehen aber auch kostenlos zum Download bereit.
Bilder: LMZ / Thomas Schmiedbauer (1); Oö. Landesarchiv, Karten- und Plänesammlung (1); Fuschlseeregion (1)