So etwas wie heute der EU-Ratsvorsitz

HINTERGRUND / GESCHICHTE

08/01/17 Ab 1663 tagten Kurfürsten, Reichsfürsten und Städte im „Immerwährenden Reichstag“ – bis 1806, als das Heilige Römische Reich und damit dieser Vorläufer eines gesamtdeutschen Parlaments ein Ende fanden. Den Vorsitz führten traditionell die Erzbischöfe aus Salzburg. Guidobald von Thun wurde vom Habsburger-Kaiser Leopold I. sogar als sein Prinzipalgesandter eingesetzt.

Von Stefan Mayer

Im alten Rathaus der bayerischen Stadt Regensburg hat sich bis zum heutigen Tag ein kleiner Rest an großer europäischer Politik erhalten. Museal aufbereitet ist dort das Reichstagsmuseum mit dem Beratungszimmer der Reichsstände zu besichtigen. Vom „Immerwährenden Reichstag“ wurden grundlegende Fragen der Innen- und Außenpolitik im Reich verhandelt.

Die Salzburger Vorrangstellung überrascht nicht, immerhin war das Bistum Regensburg seit 798 Salzburg unterstellt – geistlich wohlgemerkt. Regensburg als ständiger Tagungsort war ursprünglich gar nicht vorgesehen, die Abhaltung wechselte ähnlich dem heutigen EU-Ratsvorsitz bis zum 16. Jahrhundert zwischen einer Bischofs- und einer Reichsstadt. Anno 1663 kam Kaiser Leopold höchstpersönlich zum Reichstag nach Regensburg, um sich militärische und finanzielle Hilfe gegen die von Südosten heranrückenden Türken zu sichern. Mit dieser in der Tasche reiste er alsbald wieder ab und überließ die übrige Abstimmungsarbeit den Gesandten. Ein Beispiel, dem sich auch viele andere Reichsfürsten anschlossen.

Zurück blieben jede Menge ungelöster Fragen und die Gesandten. Damit war aus dem Wanderkongress eine bleibende Einrichtung in Regensburg geworden. Für Erzbischof Guidobald bedeutete dies eine mehrjährige Verlegung eines Teils seines Repräsentations- und Verwaltungsapparats in die Bischofsstadt an der nördlichsten Stelle der Donau. Quartier bezog die Salzburger Gesandtschaft im Kloster St. Emmeram. Das Vertrauen der Salzburger in Speis und Trank der Regensburger war offenbar begrenzt: Für die aus der Heimat mitgeführten Lebensmittel hat man erfolgreich um Zollfreiheit angesucht, denn in weltlichen Dingen bestimmten die Bayern.

Zuvor war der „Salzburger Hof“, seit 976 im Besitz der Erzbischöfe, bevorzugte Bleibe der Salzburger in Regensburg. Erzbischof Bernhards Gefolge von 300 Mann – von Köchen, über Mundschenk bis hin zur Hofmusik und ebenso viele Pferde – wurde im Jahr 1471 auf die ganze Stadt verteilt. Erzbischof Johann Jakob von Khuen-Belasy brachte knapp ein Jahrhundert später eigene Auerhühner, geselchte Lachsforellen, damals äußerst rare Kartoffeln, Feigen und Honig mit.

Das wussten auch der bayerische Herzog, der sächsische Kurfürst und Kaiser Maximilian II. zu schätzen – sie alle speisten beim Erzbischof. Wolf Dietrich weilte zwanzig Jahre später mit 410 Personen und 324 Pferden in Regensburg. Das Budget für einen geplanten Neubau des zur Stadtburg ausgebauten Vierkanthofs verschlang allerdings ein Hochwasser der Salzach.

Im Fall von Erzbischof Guidobald, der als vom Kaiser eingesetzter Stellvertreter in Regensburg von 1663 bis 1668 tätig war, brachte die Aufgabe zwar Prestige und die Kardinalswürde, der Prinzipalkommissar aus Salzburg hatte jedoch 180.000 Gulden an Kosten aus eigener Tasche zu berappen. Neben der diplomatischen Vermittlerrolle durfte er sich auch mit protokollarischen Ärgernissen beschäftigen, etwa dass er an der kaiserlichen Tafel nicht den gleichen mit grünem Samt überzogenen Sessel wie der Mainzer Kurfürst erhielt. Im Regensburger Dom durfte er immerhin so wie der Kaiser unter einem Baldachin Platz nehmen.

Die seit 2002 vom Landesmedienzentrum herausgegebenen Salzburger Grenzfälle von Stefan Mayer versammeln Kuriositäten rund um die Grenzen Salzburgs und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik des Bundeslandes. Es sind bereits vier Bücher erschienen (Band 4 kann im Webshop des Landes um 6,90 Euro bestellt werden), digitale Versionen aller vier Bände stehen dort zum kostenlosen Herunterladen zur Verfügung.
Bilder: Landesmedienzentrum / Museen der Stadt Regensburg (Michael Preischl)