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Was steckt im „Landesanzug“?

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

17/06/16 „Folklore“ ist oft liebenswürdig und malerisch. Doch hinter dem Pittoresken kann ein gerüttelt Maß an Ideologie lauern. Auch darüber darf man nachdenken in der Schau „Der Salzburger Landesanzug“ im Hellbrunner Monatsschlössl.

Am 2. Juli 1935 hat die Landesregierung einen Herrenanzug zur „Salzburger Landestracht“ erklärt. Wer ob dieses Zeitpunkts die Stirn runzelt, liegt so falsch nicht. Die braunen Wolken hingen schon sehr dicht am Himmel. Man befand sich in der Endphase einer rund fünfzig Jahre währenden Entwicklung, in der die Volkskultur nach und nach ihre Unschuld verloren hatte und die Volkskunde als Wissenschaft sich mehr und mehr in den Dienst eindeutiger Politisierung stellte. Die Rollen von Leuten wie dem Volkskundler Richard Wolfram, dem Brauchtums-Experten Kuno Brandauer oder dem Volksmusikanten und „Stubenmusik“-Erfinder Tobi Reiser werden heute völlig zurecht kritisch durchleuchtet. Sie alle waren in fraglicher Zeit jung, ihre „Karrieren“ waren quasi politisch bedingt eingeknüpft in die ideologischen Festlegungen des Nazi-Regimes (was keine Entschuldigung sein kann und darf). Sie standen am Ende einer jahrzehntelangen Entwicklung, die auf Instrumentalisierung des „Volkstümlichen“ in all seinen Spielarten hinauslief.

Die „Trachtenerneuerung“ war nur ein Bereich, mit dem den Menschen Heimatbewusstsein eingehämmert wurde. Unsere heutige politische Situation und die derzeitige Seelenbefindlichkeit vieler Menschen ähneln der Zeit damals. Es gärte schon in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts in der gesamten Monarchie, und die Völker rundum bastelten an Alleinstellungsmerkmalen ihrer je eigenen Nationalkulturen. Man sammelte Volkslieder auf Teufel-komm-Raus, dokumentierte Bräuche und schneiderte emsig an Trachten. Jedes Accessoire wurde symbolkräftig aufgeladen. In „Trachtenmappen“ konnte man sich schlau machen, was „man“ in der jeweiligen Region anziehen sollte, um nationale Gesinnung nicht nur im Kopf, sondern quasi auch am Leib zu tragen.

Wenn heute, in Zeiten wachsender EU-Skepsis, rundum das Bewusstsein für Brauch und Folklore zu wuchern beginnt, erinnert das fatal an die damalige Stimmung: Bräuche werden wiederbelebt, das einschlägige Vereinswesen floriert. Vom „Bauernchristbaum“ bis zur „Trachtenhochzeit“ (beides Erfindungen neuerer Zeit) genießt das vermeintlich „Althergebrachte“ höchste Wertschätzung in weiten Bevölkerungskreisen. Über diese nun schon eine Zeitlang anhaltende Hochblüte des Heimat- und Volkskulturbewusstseins darf man sich freuen, aber man sollte durchaus auch einen Gedanken daran verschwenden, wie die Sache damals weitergegangen ist: Die Nationalsozialisten fanden in den 1930er Jahren ein ideologisch wohl bestelltes Feld von „Volkskultur“ vor, von „Brauchtum“ und damit verknüpfter, hochgeschraubter Blut-und Boden-Mentalität. Sie konnten gut drauf aufbauen, mussten nur ein ganz klein wenig düngen, damit das Radikale wachsen konnte.

Zum Ausstellungsbericht Dienstanzug der Landeshauptmänner?

 

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