Vernetztes Gespräch in einer vernetzten Welt

FEUILLETON / EUROPEAN ACADEMY OF SCIENCES AND ARTS

05/03/10 "Darum hat in der Gemeinde / jedermann ihn gern zum Freunde" hat Wilhelm Busch gedichtet. Heute nennt man solche gesellschaftlichen Alphatiere auf gut Neudeutsch "Networker". Einer der begnadeten Fäden-Verknüpfer in Salzburg ist Felix Unger, der Präsident der Europäischen Akademie der Wissenschaft und Künste. Man feiert morgen, Samstag (6.3.), das zwanzigjährige Bestehen.

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Von Reinhard Kriechbaum

Was ist das für ein eigenwilliges akademisches Konstrukt, diese European Academy of Sciences and Arts? Sie besteht aus einer noblen Postadresse (St. Peter Bezirk 10), einer Website (http://www.euro-acad.eu/). Materiell gesehen freilich nur aus einigen wenigen Schreibtischen. Und einer gülden funkelnden Kette, Dank der Felix Unger als Präsident immer dann vorbildhaft herausleuchtet, wenn sich honorige Menschen, Nobilitäten, Spektabilitäten und gelegentlich sogar Eminenzen zu akademischen Feststunden treffen.

Da hatte also ein Salzburger Arzt (im Hauptberuf ist Professor Felix Unger Herzchirurg und Primar am LKA) zu einer Zeit eine akademische Idee, als die Gedanken an eine medizinische Universität in Salzburg noch wie ein Hirngespinst anmuteten. Aber Unger hatte sowieso viel mehr vor mit sich und seiner Utopie: Eine Verknüpfung von Wissenschaften und Künsten, ein Akademie-Netzwerk aus den großen Denkern unserer Zeit sollte es werden - und ist es letztlich auch geworden.

Unger unterhält beste Kontakte zu Kirchenleuten. Franz Kardinal König war einer der Angesehensten, die er mit seiner Begeisterung ansteckte. Ein anderer ist Nikolaus Lobkowicz, Politikwissenschafter und Philosoph an der (katholischen) Universität Eichstätt. Die verknüpfte Geisteswelt - ein Stichwort auf der Akademie-Homepage: "Networked dialog in a networked world" - wurde in sieben Klassen eingeteilt. Man mag an die "Septem artes liberales" denken, aber so plump-historisierend ist die Sache nicht: "Social Sciences" sind da ebenso eine wissenschaftliche Klasse wie "Technical and Environmental Sciences". Es fanden sich für all diese Bereiche Leute, die in der Wissenschaft klingende Namen haben. Mit jemandem wie Eugen Biser als Dekan  für die Weltreligionen lässt sich schon Staat machen.

Das sieht also auf dem Papier durchaus so aus, als ob man im Epizentrum des Zeitgeistes nicht nur miteinander, sondern auch vor-denkt. Gelegentlich erscheinen auch Jahresberichte und andere Veröffentlichungen, die ahnen lassen, dass hier gescheite Menschen immer wieder miteinander reden.

Damit ist die European Academy of Sciences and Arts also eine Einrichtung im klassischen universitären Sinn. Während die Universitäten zunehmend verschult werden, aufgerieben zwischen Bologna-Prozess und der Notwendigkeit, ansehnliche Budget-Anteile selbst zu erwirtschaften, ist sie völlig unbelastet vom Lehrbetrieb. Und auch Moden wie Gender-Wissenschaft und dergleichen kratzen die Herren (es sind fast ausschließlich Männer im Bunde) kein bisschen. Cogito ergo sum - das ist die Grundeinstellung.

Nun sind freilich Nörgler schon gelegentlich auf die Idee gekommen, die European Academy of Sciences and Arts als eine gewaltige Seifenblase zu bezeichnen. Dem ist entgegen zu halten, dass keine Seifenblase zwanzig Jahre hält. Was macht die Geistes-Blase so dauerhaft? Ein Trick - und da sind wir bei Felix Unger als grenzgenialem Netzwerker - ist es, die honorigsten Leute auch aus der Politik durch Preise und mit Ehrentiteln an Bord zu holen. So wird etwa morgen, Samstag (6.3.) der Ministerpräsident von Montenegro, Milo Dukanovic, zum Protektor seines Landes ernannt. Protektor Albaniens! Das wird man nicht so schnell. Andere Protektores sind zum Beispiel der spanische König, der Erzherzog von Luxemburg und sogar UHBP Heinz Fischer. Zum Protektor der Akademie selbst wird am 18. März Jerzy Buzek, der Präsident des Europäischen Parlaments ernannt.

Nicht nur mit den jährlich am 15. August in Salzburg vergebenen "Toleranzpreis" also bindet Unger Prominenz an seine Akademie. Vom ehemaligen Bürgermeister von Jerusalem Teddy Kollek bis Kardinal König reicht die Liste der Preisträger, auf die sich gelegentlich sogar eine Frau verirrt. Die Kreativabteilung der Akademie (sie wird leider auf der Homepage nicht eigens ausgewiesen, womöglich ist es Felix Unger im Alleingang?) leistet ganze Arbeit und ist schier grenzenlos erfinderisch, was Ehrentitel angeht.

So macht man sich Sympathisanten, wenn nicht gar Freunde. All die Geehrten bilden eine Lobby, und die wiederum garantiert, dass es für die European Academy of Sciences and Arts, wiewohl eine Einrichtung so gut wie ohne Erd-Bindung, genügend Förderung gibt.

Zwanzig Jahre also ist die Akademie nun alt. Spätestens zum 25-Jahre-Jubiläum 2015 sollte man ernsthaft darüber nachdenken, Felix Unger selbst zum Protektor zu erheben. Protektor Europae? Oder gleich Protektur mundi? Es selbst wird sich freilich nicht gut vorschlagen können. Es steht also in den nächsten Jahren ein hartes Stück Arbeit bevor. Viele namhafte und möglichst einflussreiche Menschen müssen noch dekoriert werden. Die könnten sich ja dann bei ihrem Mentor revanchieren, indem sie ihn gemeinsam nominieren. Es denkt da ja nicht nur ein Kopf möglichst nah am anderen, es wäscht auch eine Akademie-Hand die andere - auch das ist ein nicht zu unterschätzende Erfolgsrezept dieser Einrichtung.

Der Festakt zum zwanzigjährigen Bestehen der European Academy of Sciences and Arts findet am Samstag (6.3.) um 10.30 Uhr in der Max Gandolph Bilbliothek statt. - www.euro-acad.eu