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Erst die Hülle, dann der Inhalt?

GASTKOMMENTAR

Von Barbara Wicha-Wolf

25/02/13 Vier AdressatInnen unterschiedlicher Couleurs anstelle eines einzigen komplizieren die Umsetzung umfassender Konzepte. So die Erfahrung des früheren Landes-Kulturbeirats (LKB). Die Forcierung der musischen Bildung von Kindern im Vorschul- und Schulalter, qualitätsvolle Ausbildung von KunsterzieherInnen und KulturarbeiterInnen, Werbung für Kultur in den Gemeinden, die Errichtung von experimentellen Kulturhäusern in allen Bezirken, interkulturelle Jugend- und Kulturarbeit, budgetäre Priorität für zeitgenössische KünstlerInnen, die Erhöhung der Ausgaben für freie Träger, die Öffnung von Museen und Konzertsälen für zeitgenössisches Schaffen, Mitwirkung von LKB und Dachverband bei Fördervergabe und Postenbesetzungen im Kulturbereich – ein solch komplexes Forderungsprogramm musste scheitern. Dabei waren die Reaktionen aller vier Regierungsmitglieder freundlich und positiv – allerdings nur für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Gemeinsame Gespräche zwischen ihnen und mit den Verfassern fehlten. Die konsequente Forderung von LKB und Dachverband: Kultur in EINE Hand!

Und siehe da, nicht zufällig angesichts vorverlegter Landtagswahlen: LHStv. Haslauer proklamiert „Mut zu Reformen“, das eine Bündelung der Politik auf 10 Kompetenzbereiche (derzeit 15 Abteilungen) mit genau dieser/m EINER/M Zuständigen und eine Reduktion der Regierungsmitglieder auf fünf (jetzt sieben) vorsieht. Aufs erste doch sehr erfreulich!?

Der kritische Blick der Politikwissenschafterin mahnt zur Analyse. Seit 1999, Ende des Regierungsproporzes, teilen sich SPÖ und ÖVP die Regierungssitze. Nach Wahlen beginnt ihr Ringen um Kompetenzverteilung: je stärker, desto größere Erfolgsaussichten. Doch seit den Wahlen 1989 gibt es keine absoluten Mehrheiten in Salzburg, 2009 sackten SPÖ und ÖVP auf 39,4% bzw. 36,5% ab, die Regierungssitze wurden 4:3 verteilt.

Von sieben Regierungsmitgliedern haben vier die alleinige Zuständigkeit für acht der 15 Abteilungen: LH Burgstaller für Landesamtsdirektion und Bildung, LHStv. Haslauer für Wirtschaft/Forschung/Tourismus, Landesbaudirektion und Gemeindeangelegenheiten, LR Eisl für Lebensgrundlagen/Energie und Personalabteilung und LR Blachfellner für Umweltschutz und Wohnungswesen. Alleinige Zuständigkeit heißt Macht über Inhalte und Ressourcen. In den anderen Abteilungen herrscht power-sharing: Soziales, Raumplanung, Finanz- und Vermögensverwaltung, Gesundheit/Sport und Naturschutz sowie Kultur/Gesellschaft/Generationen. Dieses Kulturressort ist in sechs Referate gegliedert, die sich LHStv. Brenner, LHStv. Haslauer, die Landeshauptfrau und LR Widmann (jetzt nur die drei letztgenannten) teilten: mit dem inhaltlich wichtigsten, aber schwach dotierten Referat 12/01 Kulturförderung (Brenner/Burgstaller) und dem – nunmehr „transparent“ gemacht – schwarzen Korrektiv dazu, den „Kulturellen Sonderprojekten“.

Wahlkampfstrategie und Hoffnung auf ein WählerInnenvotum zugunsten der ÖVP scheinen Vater des Reformpapiers zu sein. Will man doch Zusammengehörendes „über gewachsene parteipolitische Grenzen hinaus“ zusammenführen. Bei genauer Lektüre entdeckt man, dass gezielt bisherige SPÖ- mit ÖVP-Bereichen gekoppelt (oder umgefärbt?) werden: etwa  „Gemeinde und Raumordnung“, „Allgemeine Verwaltung und Personal“ oder „Familien, Generationen und Integration“ und deutlich „Bildung und Kultur“.

Was bringt ein Ressort „Bildung und Kultur“ außer dem Zugriff auf die Bildungsabteilung der Landeshauptfrau? Greift die ÖVP im Wahltraum schon danach, wenn sie ihre Bereitschaft ankündigt, „die Zusammenlegung der Schulverwaltung zu beschließen“? Ist das die einzige Vision? Und welches Signal ist vernehmbar, wenn „alle Fragen der Kultur von der klassischen Kulturförderung bis hin zu den Landesmuseen“ von „einem Regierungsmitglied hauptverantwortlich wahrgenommen“ werden? Keine Rede von Inhalten oder sinnvollen Verflechtungen von Bildung und Kultur.

Wird man von einer „klassischen“ Kulturförderung neue Prioritäten erwarten können, etwa eine signifikante Erhöhung der 0,33% des Landesbudgets für freie Kulturträger, Kunstprojekte und KünstlerInnen? Heißt „klassisch“, dass LKB und Dachverband weiterhin auf ihr Alibidasein ohne Entscheidungsbeteiligung reduziert bleiben? Wo bleiben die interkulturellen Folgen der Migration – oder sind sie in den Kompetenzbereich „Familien, Generationen und Integration“ abgeschoben? Wenn ja, dann nur (mit Blick nach rechts?) im statischen Terminus Integration anstelle des prozesshaften Begriffs Migration.

Was auf dem Tisch liegt, ist nicht mehr als ein termingerechtes Strukturgerüst zum 5. Mai. Hinsichtlich der Inhalte verspricht das Papier, dass demnächst „namhafte Experten“ zur Erarbeitung von „Zukunftskonzepten“ eingeladen werden sollen. Was ist das für ein Konzept, das erst einen institutionellen Rahmen entwirft, dem sich dann Inhalte einpassen sollen?

Ginge es ernsthaft um Reform, müssen erst Inhalte und damit auch die erforderlichen Qualifikationen einer/s Ressortverantwortlichen im Vordergrund stehen: Visionen, die sie/er selber zur Gestaltung der Kulturpolitik einbringt, Offenheit für die kulturelle Vielfalt und Partizipation, Bekenntnis zu Transparenz und Bereitschaft zum Dialog mit Kunst- und Kulturschaffenden und vor allem Steuerungsfähigkeit, die innovative und kooperative Kulturpolitik in die eigene Verwaltung und ins Land und seine Gemeinden hineinzutragen.

So aber enttarnen sich schnell der gesamte Strukturentwurf und der Ruf nach „EINER Hauptverantwortlichkeit“ als wahlmotivierte Hoffnung auf politische Flurbereinigung.

Die Politikwissenschafterin Barbara Wolf-Wicha ist Ex-Vorsitzende des Landeskulturbeirats.

Zum Kommentar Alles in eine – schwarze? – Hand

 

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