Schwarmintelligenz
GLOSSE
Von Reinhard Kriechbaum
15/01/13 Was sind wir doch für Glücksmenschen! In wenigen Tagen dürfen wir entscheiden, wie es im faulen Staate mit dem Bundesheer weitergehen soll. Zur Rettung des maroden Salzburger Wesens hat die großformatigste Zeitung des Bundeslandes allsogleich aufgerufen, als etwas von einem „Finanzskandal“ ruchbar wurde. Und nun noch: Echtes Bürgertheater!
Der Geist weht, wo er will, das ist eine alte Weisheit aller pfingstbewegten Christen. Jene Leute, die weniger mit Religion, umso mehr dafür mit Basisdemokratie am Hut haben, wissen: Mit Schwarmintelligenz kann man die Windrichtung entscheidend beeinflussen. Ameisen bringen es auf dieser Basis zu großen Hügel-Republiken, Bienen zu ansehnlichen Honig- und Wachsproduktionsstätten. Und die Myriaden von Fliegen liegen hinsichtlich ihrer vollbiologischen Ernährungsgewohnheiten ganz gewiss nicht daneben.
Warum sollte sich also ausgerechnet der Mensch nicht gehäuft einbringen? Der ist begeisterungsfähig und taugt allemal zum Entertainer. Das haben in den vergangenen Wochen die unzähligen Wortmeldungen in Spekulationsangelegenheiten eindrucksvoll unterstrichen. Wem es nicht genügt, mit Buchstaben um sich zu werfen, der kann sich jetzt im Landestheater leibhaftig engagieren. Da sind „Experten des Alltags“ (so Intendant Carl Philip von Maldeghem in einem Pressegespräch am Dienstag, 15.1.) für die „Bürgerbühne“ gefragt. Das klingt doch viel attraktiver als Laienschauspieler! Und „Treffpunkt des Diskurses“ (so die Landestheater-Dramaturgin und Theaterpädagogin Angela Beyerlein) hat auch deutlich mehr Charme als „Theaterprobe“.
Solche Bürger-Spielgruppen im Umkreis professioneller Theater boomen gerade in Deutschland. Salzburg ist ziemlich weit vorne dran beim Aufsaugen des Zeitgeists. Eine diskursoffene Theaterwoche wurde hierorts schon 2011 gemacht („Fremde Heimat“). Gedanken der Occupy-Bewegung hat man im Vorjahr ventiliert. Und demnächst, in der letzten Jänner-Woche, heißt ein Festival „Menschen Markt“. An vorderster Front dabei: die Bürgerbühne Salzburg, zu der sich zuletzt mehr als fünfzig Leute gemeldet haben. Man muss sie schon in zwei Gruppen aufteilen, um sie begabungsmäßig optimiert einsetzen zu können.
Freilich laufen immer noch einige notorische Nörgler herum, die etwa in der Herbst-Produktion „Wir gründen eine Bank“ partout die Segnungen der Schwarmintelligenz nicht wahrnehmen wollten. Ihnen kann man nur ermunternd zurufen: Fangt an, an die Menschheit zu glauben! Theatersport darf nicht nur Improvisationstheater im Spontan-Wettbewerb kleiner Gruppen sein. Er trägt in seiner regional-politischen Gewandung den Keim zum Breitensport in sich. Der ist bekanntlich immer förderlich für die Volksgesundheit.