Langfristige Perspektive statt boulevardesker Erregung

IM WORTLAUT / STÄDTEPLANUNG / REHRLPLATZ

06/07/12 Was wird nicht polemisiert und gegeifert in den letzten Wochen und Monaten um das Projekt am Rehrlplatz gegenüber dem Unfallkrankenhaus. Eine Stellungnahme der Initiative Architektur, die wir hier im Wortlaut veröffentlichen, lässt die Kirche im Dorf, und die Architektur – auch die neue – in der Stadt.

Von Karl Thalmeier, Carina Alterdinger und Udo Heinrich

Vorweg: Das Projekt Rehrlplatz der Architekten Storch, Ehlers und Partner (SEP) ist ein stimmiger und guter Entwurf, der sich differenziert in die städtebauliche Umgebung integriert. Diese Einschätzung bleibt, trotz einer Flut von gegenteiligen, teils unsachlichen Aussagen, richtig.

Seit Jahrhunderten – und eben auch in den letzten Jahrzehnten – entwickelt sich die Innenstadt überwiegend positiv weiter: Die Revitalisierung des Bruderhofs, der Neubau des Makartstegs, die Sanierung und urbanistische Neupositionierung des Mozarteums, die Erweiterung beim Haus der Natur oder die gelungene Einbindung von Alt und Neu bei der Diakonie in der Imbergstraße sind einige Beispiele innerhalb der World-Heritage-Zone, die diese Feststellung eindrucksvoll belegen. Alt und Neu - historischer Bestand und zeitgemäße Architektur gehen in Salzburgs Altstadt eine überaus gelungene Symbiose ein. Es besteht also nicht die geringste Veranlassung, am Vermögen der aktuellen Architektur zu zweifeln, auf das historische Welterbe-Ensemble angemessen zu reagieren.

Es heißt übrigens im Wiener Memorandum der UNESCO, dass die „zentrale Herausforderung der zeitgenössischen Architektur in der historischen Stadtlandschaft darin besteht, auf die Entwicklungsdynamik zu reagieren, um einerseits sozioökonomische Veränderungen und Wachstum zu ermöglichen und andererseits gleichzeitig das überlieferte Stadtbild und sein Umfeld zu respektieren.“

Salzburg muss sich selbstbewusst zu diesen Zielen bekennen. An diese gewünschte  Entwicklung sind besondere Qualitätsanforderungen geknüpft, und dafür wurden festgelegte Verfahrensschritte erkämpft und entwickelt: Dazu zählen die Erarbeitung von städtebaulichen Rahmenbedingungen, Auslobungsvorbereitung in Abstimmung mit den Beteiligten, Architektenwettbewerb, im konkreten Fall offen für das Bundesland Salzburg und mit nationalen und internationalen Zuladungen und laufende Bürgerinformationen.

Die Weiterentwicklung des Projekts erfolgt unter Aufsicht von Fachgremien wie der Sachverständigenkommission für die Altstadterhaltung und dem Gestaltungsbeirat (für den Bereich außerhalb der Innenstadt). Dieses aufwändige Procedere hat sich bei den zitierten Realisierungen bewährt. Warum, so fragen wir, sollte das ausgerechnet jetzt schiefgehen? Ist es nicht vielmehr so, dass es auch bei den oben genannten Beispielen in der Projektphase Widerstände gab, die sich in Schall und Rauch auflösten, als alle begriffen hatten, welche Bereicherung ein Bauwerk, wie der Makartsteg für Salzburg ist? Wer heute allen ernstes behaupten möchte, dass der Neu- und Umbau des Mozarteums nicht ein Gewinn für den konkreten Ort und die ganze Stadt ist, der solle doch vortreten!

Die städtebaulichen Vorgaben beim Projekt für die Bebauung der Brache vor dem Unfallkrankenhaus kann man nachlesen. Die Aufgabe bestand darin, für diesen Ort einen intelligenten Entwurf zu entwickeln, wobei es vollkommen klar ist, dass Städtebau und Architekturfindung auf dieser begrenzten Altstadtfläche nicht voneinander zu trennen sind. Deswegen ist es schlüssig, dass hier das Instrument eines einstufigen Realisierungswettbewerbes gewählt wurde.

Die üblichen Bebauungsplanparameter, wie die Festlegung von Geschossflächenzahlen sind an dieser Stelle untaugliche Mittel, um in der Innenstadt qualitativ hochwertige Baukörper als Teil des innerstädtischen Gefüges zu entwickeln.

An der Bandbreite der insgesamt 26 Wettbewerbsentwürfe wird im Vergleich klar, warum der Entwurf von SEP an dieser Stelle überzeugt. Die Modelle dazu sind vorhanden – siehe auch http://dl.dropbox.com/u/2376297/city life rehrlplatz modelfotos.pdf

Für ein „Zurück-an-den-Start“ gibt es daher keine inhaltliche Veranlassung. Wer dies heute fordert, will damit letztlich nur erreichen, dass die Brache auf Dauer festgeschrieben wird. Kluge Entwürfe, wie jener von SEP, sind entwickelbar, wenn dies erforderlich ist.  Aber egoistisch motivierte oder weitgehend inhaltlose Pauschaläußerungen werden nur eines erreichen, nämlich uns die Zeiten des Vorgestaltungsbeirates zurückbringen. Wenn die Protagonisten das wollen, kann man nur sagen: Weiter so!

Die Initiative Architektur begrüßt, dass die Zeiten, in denen Zweit- und Drittplatzierte  bei Wettbewerben (wie beim Kongresshaus oder beim Haus für Mozart) zum Zuge kamen und eben nicht der beste Entwurf umgesetzt wurde, der Vergangenheit angehören. In Salzburg hat sich eine ausgezeichnete, transparente Wettbewerbskultur entwickelt, die keinen nationalen oder internationalen Vergleich zu scheuen braucht.

Kritik ist gut und notwendig. Insbesondere der Aspekt des leistbaren Mietwohnungsbaues in der Innenstadt, der de facto nicht existiert, sollte beachtet werden. Nur immer große und entsprechend teure Wohnungen für eine betuchte Klientel zu bauen, wovon dann ein Großteil als Zweitwohnungen genutzt werden und alles andere als eine Belebung der Städte darstellen, ist auf Dauer kein Ansatz und demokratiepolitisch bedenklich. Diese Frage betrifft allerdings nicht dieses einzelne Bauvorhaben. Hier ist die Politik gefordert, die Rahmenbedingungen zu korrigieren, und das energisch. Lang genug ist, politisch lamentierend ohne greifbares Ergebnis zugeschaut worden.

Wichtig ist der Blick in die Zukunft: Ein besonderes innerstädtisches Areal steht zur „Verwertung“ an: die Riedenburgkaserne. Wann endlich zeigt die Stadt Salzburg dem Bund als Grundstückseigentümer hier die rote Karte? Einzig zielführende Vorgangsweise ist es, das Quartier als Stadt Salzburg zu übernehmen, nach eigenen Qualitätskriterien zum Wohl der Stadt zu entwickeln und unter ihrer Kontrolle errichten zu lassen. Der ungezügelte Kapitalismus, ohne jede soziale und städtebauliche Verantwortung, wie er vom Bund betrieben wird (es wird an den verkauft, der am meisten dafür zahlt), muss verhindert werden.

Stadtentwicklung dauert lang und ist ein mühsamer Prozess, wie man an der Projektierung und Umsetzung des Quartiers rund um den Unipark (Entwurf übrigens von den Architekten Storch, Ehlers und Partner) in Nonntal ablesen kann. Die Stadt als Lebensraum braucht eine langfristige Perspektive, keinen hektischen Interventionismus und nicht die boulevardeske Erregung. Stadtentwicklung kann man nicht der Quote überlassen, dafür ist unsere Stadt zu wertvoll. (Initiative Architektur)