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Kosten die Universitäten zu viel?

IM WORTLAUT / REINHART VON GUTZEIT

02/03/12 In der „Zeit“ wurde Österreich kürzlich als „Schlaraffenland der Billigbildung“ bezeichnet und dabei die Universität Mozarteum Salzburg als „Paradebeispiel“ zitiert, weil sich hier angeblich wohlhabende Amerikaner und Japanerinnen tummeln und dennoch wolle die Universität keine Studiengebühren kassieren. „Das ist ein Zerrbild der Realität“, so Rektor Reinhart von Gutzeit in einem Offenen Brief.

Von Reinhart von Gutzeit

Auch am Mozarteum wird derzeit, wie an allen anderen österreichischen Universitäten, über die Einhebung von Studiengebühren beraten. Die Argumente, die dafür sprechen, werden durchaus gesehen und abgewogen, wobei sofort die Forderung nach einem ordentlich bemessenen Stipendiensystem zum Abfedern sozialer Härten in den Blick kommt. Allerdings: Wenn Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle die Universitäten massiv zur autonomen Festsetzung von Studiengebühren ermuntert und der Bundeskanzler gleichzeitig heftig davor warnt, ist das für Entscheidungsprozesse der zuständigen Gremien alles andere als hilfreich.

Ich halte es im Übrigen für ein politisches Pflichtversäumnis, wenn die Frage der Studiengebühren nicht durch Gesetzgebung für alle Universitäten einheitlich geklärt wird – zumindest in der Form eines gesetzlichen Rahmens. Wenn wir hier zu unterschiedlichen Regelungen kommen – hinsichtlich der Frage, ob überhaupt Gebühren festgesetzt werden wie auch in Bezug auf deren Höhe – entsteht großes Konfliktpotenzial innerhalb der Universitäten und für die Beziehungen der Universitäten untereinander. Wie könnten die Studierenden der einen Universität akzeptieren, dass sie (hohe) Gebühren entrichten müssen, während die Finanzierung anderswo auch ohne ihren Beitrag gelingt? Wie werden jene Universitäten von der Regierung finanziell behandelt, deren Gremien einer vom Rektorat vorgeschlagenen Gebührensatzung nicht zustimmen?

Musik- und Kunstuniversitäten sind nicht die teuersten Hochschulen, gehören aber hinsichtlich der Kosten eines Studienplatzes zum Spitzenfeld. Das liegt vor allem daran, dass wesentliche Teile des Studiums künstlerischen Einzelunterricht erfordern. Die erfolgreiche Arbeit an den handwerklichen und interpretatorischen Problemen eines Pianisten oder einer Sängerin ist nur möglich, wenn der Professor wöchentlich für eine intensive individuelle Zusammenarbeit zur Verfügung steht. Vorlesungen im größeren Hörsaal sind untypisch für unsere Arbeit. Darum haben Kunsthochschulen Betreuungsquoten, wie man sie an einer allgemeinen Universität nicht kennt. Hierzu muss man sich bekennen, weil anderes nicht denkbar ist.

Aber sollte uns nicht gerade in Österreich die Kunst etwas wert sein? Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer weist gelegentlich und nur halb im Scherz darauf hin, dass Österreich, vielleicht mit Ausnahme des Skisports, nur auf einem Feld eine Weltmacht sei: dem der Musik. Es ist der Weltruf der österreichischen Musikkultur, der Menschen aus aller Welt nach Wien oder Salzburg führt – in die Staatsoper, zu den Festspielen oder eben zum Studium. Sollen wir die Studenten, vor allem jene aus den so genannten Drittländern, nun in besonderer Weise zur Kasse bitten? Gar kostendeckend, wie es von manchen jetzt erneut angeregt wird?

In der „Zeit“ wird die Situation am Mozarteum mit jener an der Juilliard School in New York verglichen, wo Studierende 34.000 US-Dollar (ca. 26.000 Euro) im Jahr an Studiengebühren zu entrichten haben. Dieser Vergleich ist nicht seriös, da er das vollkommen andere Umfeld nicht berücksichtigt. Es gibt in den USA nicht jene Form öffentlicher Finanzierung für Kultur und für Bildung, die uns vertraut ist. Auch die Wiener Philharmoniker, auch die Staatsoper müssten ohne öffentliche Subventionen auskommen, wenn amerikanische Verhältnisse auf Österreich übertragen würden. Dem Fehlen staatlicher Subventionen steht in Amerika eine ausgeprägte Kultur des privaten Sponsorings gegenüber, die hierzulande nicht existiert. Dies gilt auch für Musikhochschulen: Auch in New York zahlen in Wahrheit nur wenige die volle Studiengebühr; die Hochschulen verfügen über enorme Stipendientöpfe aus privaten Quellen. Unser Vergleichsfeld aber ist Europa, vor allem der deutschsprachige Raum, und hier gibt es keine Musikhochschule, die mehr als 1000 Euro Studiengebühr von ihren Studierenden verlangt.

Am Mozarteum sind regelmäßig mehr als 60 verschiedene Nationalitäten vertreten. Damit nimmt das Haus unter den österreichischen Universitäten den Rang 1 beim Kriterium „Internationalität“ ein. Darauf sind wir stolz, aber zugleich müssen wir uns mit einem immer wieder bedienten Klischee auseinandersetzen: die Universität Mozarteum als eine Kunsthochschule anzusehen, die vor allem für asiatische Studentinnen aus reichem Hause tätig ist. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Fast die Hälfte unserer Studierenden stammt aus Österreich, mehr als 80 Prozent aus der EU. Und es ist zu bedenken, dass alle EU-Bürger hinsichtlich möglicher Studiengebühren nicht anders zu behandeln sind als Österreicher.

Und jene knapp 20 Prozent aus den sogenannten Drittstaaten (verschiedener Kontinente) sind keineswegs allesamt Kinder aus reichen Häusern. Es sind viele südeuropäische junge Künstler darunter, und auch unter den asiatischen Studierenden, die exakt zehn Prozent der Studentenschaft ausmachen, gibt es nicht wenige, denen die Finanzierung ihres Studiums erhebliche Sorgen bereitet.

Die Studierenden aus Drittländern haben es schon deshalb schwer, weil sie seit der Änderung des Fremdengesetzes erhebliche verfügbare Mittel nachweisen müssen, um überhaupt eine Aufenthaltsgenehmigung zu erlangen. Dennoch erscheint vielen am Mozarteum vertretbar, diese Gruppe mit einer besonderen Studiengebühr zu belasten, so wie es in der Vergangenheit – mit exakt dem Doppelten des für Inländer geltenden Betrages – der Fall war. An volle Kostendeckung zu denken, ist jedoch völlig irreal. Und das nicht nur, weil der nächste Schritt dann in der Luft läge: die Empfehlung, möglichst viele Studierende aus fernen Ländern aufzunehmen und damit alle finanziellen Probleme aus der Welt schaffen.

Bild: Universität Mozarteum / Christian Schneider

 

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