Können wollen?

KOMMENTAR

Von Heidemarie Klabacher

19/11/21 Können, müssen, dürfen oder sollen sie am Montag in die Schule gehen oder nicht? Lockdown und Schule. Klare Ansagen der Politik fehlen. Die Krisen-Strategie im Schulbereich fördert – und zwar österreichweit – einzig das Nachdenken über Modalverben: Wer will daheimbleiben? Wie sollen die Lehrer das schaffen? Mögen sie überhaupt noch?

„Schulen und Kindergärten bleiben geöffnet“, sagte Gesundheitsminister Mückstein bei der Pressekonferenz heute Freitag (19.11.) vormittags so kurz wie pauschal. „Schulen bleiben grundsätzlich offen“, bestätigte Bundeskanzler Schallenberg und betonte: „Schulen sind sicher das diffizilste Thema. Es gibt Präsenz-Unterricht. Aber die Eltern können ihre Kinder herausnehmen.“ Der Bundeskanzler appellierte, wo es möglich ist „Schülerinnen und Schüler zuhause zu lassen“, betonte aber auch, dass trotz hoher Fallzahlen die vielen Testungen in den Schulen Sicherheit böten. „Was immer wir im Schulbereich beschließen ist eine Herausforderung“, so der Bundeskanzler.

Beschlossen wird weiterhin Pauschales. Das Konkrete überlassen Landes- wie Bundesregierung der Lehrer- und Elternschaft. „Für die Eltern wurde die Möglichkeit geschaffen, ihre Kinder ohne Attest zu Hause zu lassen. Das führt zu einer Reduktion der Schülerinnen und Schüler in den Klassen. Wir rufen die Eltern auf, im Sinne der Pandemiebekämpfung sowie ihrer eigenen Sicherheit, die Kinder sofern irgendwie möglich nicht in die Schule zu schicken“, so Landeshauptmann Wilfried Haslauer und Landesrätin Daniela Gutschi gestern Donnerstag (18.11.) in einer Aussendung des Landes.

Da ging es noch allein um die Maßnahmen im regionalen Lockdown im Bundesland Salzburg, der ja inzwischen vom bundesweiten überholt worden ist. „Um die Neuinfektionen zu senken und damit die Spitäler und deren Personal zu entlasten, sind Eltern, die ihre Kinder daheim betreuen können, aufgerufen, die Kinder nicht in die Schule zu schicken. Für alle jene, die die Schule brauchen, bleibt diese auch offen.“ So hieß es in der Aussendung des Landesmedienzentrums Lockdown für alle in Salzburg ab Montag, eingegangen am Donnerstag um 18.35 Uhr. Zwanzig Minuten später folgte die Meldung Schule ist offen für alle, die sie brauchen. Dort heißt es: „Die heimischen Schulen bleiben für jene offen, die die Schule dringend brauchen, sei es bei Berufstätigkeit oder wenn bereits Lernrückstände bestehen.“ Kinder, die ab Montag in Salzburg nicht in die Schule gehen, würden „mit Lernpaketen und Material auf Lernplattformen versorgt und könnten bei Schwierigkeiten mit dem Lernstoff jederzeit wieder in den Unterricht einsteigen“.

Zwischenfrage: Seit wann wissen das die Lehrerinnen und Lehrer und die Direktionen? Dass aus Wien gestern postwendend andere Töne kamen und Bildungsminister Faßmann darauf beharrte, die Schulen in Salzburg trotz Lockdowns geöffnet zu halten, sei nur kurz erinnert. Verwirrung und Kommunikationsdesaster.

Die Coronasituation ist dramatisch. Das leugnen längst nur mehr Unverbesserliche. Heute Freitag (19.11.) wurden mit allgemeinem Lockdown und Impflicht endlich unverzichtbare Maßnahmen österreichweit verkündet. Dass aber die Schule – von der Uni redet ohnehin niemand mehr – so pauschal auf sich selbst zurück verwiesen wird, ist ein Skandal.

Muss jede Direktorin, jeder Direktor, jede Schulgemeinschaft die frische Lockdownsuppe ganz allein auslöffeln? Hat man die Schulen über Sommer und Herbst technisch aufgerüstet? Stehen am Montag in allen Klassen die Kameras parat, damit An- und Abwesende dem gleichen Unterricht folgen dürfen? Können die jungen Unterstufenkinder ihre neuen Laptops schon sinnvoll verwenden? Darf die 7a am Montag die Mathe-Schularbeit schreiben? Dürfen Anwesende überhaupt Schularbeiten oder Tests schreiben? Wie können Abwesende später ebenfalls zu diesen Noten kommen? Und was soll das heißen Schule ist offen für alle, die sie brauchen.

Alle Kinder und Jugendlichen sollen Schule brauchen dürfen. Die Kinder und Jugendlichen mit Lernschwächen. Die mit berufstätigen Müttern, die nicht auch noch Nachhilfe geben können, weil sie an der Supermarktkasse das System erhalten dürfen. Sogar die Kinder und Jugendlichen mit guten Noten sollten weiterhin gerne die Schule gehen mögen. Denn auch Talent und Freude können verkümmern. Und die Pädagoginnen und Pädagogen sollten nicht schon wieder die Last unklarer Vorgaben tragen müssen.