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Was die nackten Zahlen sagen

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

10/11/20 Viele werden geschmunzelt haben ob der Idee von Robert Wimmer, seine Tamsweger künstlerei in ein XXSUPER Kultur-Möbelhaus zu werwandeln. Tatsächlich schwankt die Stimmung angesichts der 8.500 Möbelhaus-Besucher am vergangenen Samstag (7.11.) in Eugendorf unter Kulturschaffenden zwischen Verwunderung und Empörung.

Beides ist ist nur zu verständlich. Wer offen halten darf und wer zusperren muss in Zeiten wie diesen, beruht nur bedingt auf dem Rat von Epidemiologen (die meisten von ihnen sind für deutlich rigorosere Maßnahmen, als sie jetzt gesetzt sind). Es sind politische Entscheidungen, und die wiederum sind – formulieren wir es euphemistisch – zumindest nicht unbeeinflusst von den Anliegen der Wirtschaftswelt. Die Krämerseelen haben eine, wie Kulturschaffende argwöhnen, übermächtige Lobby. Die Perspektive aus ihrer Sicht: Die Wirtschaft darf alles, die Kultur wird einfach abgedreht. Die Kulturverliebten (© Bundeskanzler Sebastian Kurz) müssen eben kurz mal von ihrer Liebhaberei lassen.

Ideologischer Mehrwert ist leider nicht messbar. In der FAZ konnte man, als in Deutschland der November-Lockdown verkündet wurde, in einem wenig aufgeregten, in der Sache eher herzlosen Kommentar lesen: „Theater, Opern- und Konzerthäuser machten in Deutschland insgesamt einen Jahresumsatz von 8,8 Milliarden Euro. Das sind weniger als 0,3 Prozent der Bruttowertschöpfung. Da braucht man über Systemrelevanz gar nicht erst zu diskutieren, selbst wenn man die Vervierfachung der Umsätze durch Umwegrentabilität noch einrechnet.“

In Österreich trug der Kultursektor laut statista.com im Jahr 2017 rund 2,7 Prozent zur gesamten Bruttowertschöpfung in Österreich bei. Nebenbei bemerkt: Das war der niedrigste Anteils-Wert in diesem Jahrzehnt, 2010 hielt man noch bei 3,3 Prozent. Mit Zahlen allein kommt man also auch bei uns argumentativ nicht weiter – auch wenn die Bruttowertschöpfung der Kultur in Österreich sich mit 5,7 Milliarden Euro jährlich (ebenfalls die letzte Berechnung von 2017) auf dem Papier imponierend ausnimmt.

Bleiben wir trotzdem noch bei den Zahlen. Einer von hundert Salzburgern sei derzeit Corona-positiv, heißt es. Auf die 8.500 Möbelhaus-Besucher in Eugendorf umgelegt bedeutet das: Es waren dort am vergangenen Samstag auch 85 potentielle Virenschleuderer und -schleuderinnen unterwegs. Würde das Landestheater nach den zuletzt gültigen Kriterien spielen, dann säßen pro Vorstellung möglicherweise vier bis fünf Spreader im Saal, im Großen Festspielhaus wären es bei tausend Besuchern zehn Leute, deren Weg man lieber nicht kreuzen sollte.

Der Andrang bei Lutz war und ist nicht nur von der Optik her schief, auch wenn der Firmensprecher die Besucherzahl zu den 24.000 Quadratmetern Verkaufsfläche in Relation setzt und auf die Menschen-„Blockabfertigung“ verweist. „Nur“ zweitausend Menschen auf einmal bedeutet immer noch zwanzig mögliche Corona-Verbreiter, doppelt so viele wie im Großen Festspielhaus, wenn's denn offen sein dürfte.

Und halten wir uns nur die Lutz'sche Bettenabteilung vor Augen: Wie viele Quadratmeter bleiben da an effenktiver Bewegungsfläche für Besucherinnen und Besucher? Geradezu Entsetzen herrschte jüngst in der Museumsbranche, denn da bestand bis zuletzt Hoffnung, dass man vom Zusperren nicht betroffen sein werde. Im DomQuartier zählte man 2019 im Duchschnitt vierhundert Besucher täglich. In Corona-Zeiten gar nur 172. Und das bei 6.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche! Die Lutz-Geschäftsleiting würde bei solchen Zahlen bestenfalls müde lächeln. Dass Museumsleuten die Zornesröte ins Gesicht steigt ob der verordneten Schließung, ist nur zu verständlich.

Kultur-Daten auf statista.com
Zur Gast-Glosse Möbel Lutz XXsuper
Zum Stich-Wort Kulturverliebte

 

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