Nur Mut, ihr Lieben!

GLOSSE

Von Reinhard Kriechbaum

27/08/20 Wenn wir uns geduldig anstellen bei den Eingängen in die Festspielhäuser, Personalausweise bereit halten, Barcodes scannen lassen und den Mundschutz auch während der Vorstellung aufbehalten – da kommt uns schon gelegentlich schon vor, dass man im Kultur-Umfeld ganz besonders karniefelt wird. Das Publikum nicht weniger als die Kunstschaffenden.

Aber man sollte vielleicht doch zufrieden sein mit unserer kleinen österreichischen Welt. Nicht weit weg, in München, wird dezeit nämlich heftig gerangelt. Die Süddeutsche Zeitung hat dieser Tage erst Salzburg und die hier möglichen tausend Besucher pro Veranstaltung über den grünen Klee gelobt: „Auch wenn die Leitung der Festspiele diese Vorreiterrolle gar nicht betonen wollte, sondern eher auf eine möglichst angstfreie Herstellung von Kunst und den Schutz der Besucher Wert legte, ist die positive Strahlkraft enorm“, war dort zu lesen.

Die Infektionsgefahr scheint nämlich im benachbarten Bayern ungleich höher zu sein. Wenn die Bayerische Staatsoper nämlich am 1. September den Vorhang für die Premiere von Marina Abramovićs 7 Deaths of Maria Callas hochzieht, dann werden (nach heutigem Diskussionsstand) nur zweihundert Leute im Zuschauerraum sitzen. Bei 2100 Stühlen. Darob wurde und werde in der Bayerischen Staatskanzlei heftig diskutiert, weiß die Süddeutsche und ätzt mit Blick auf den deutschen Bundespräsidenten, der dieser Tage erst in Salzburg zu Besuch war: Wenn Frank-Walter Steinmeier den Hygienemaßnahmen in Salzburg vertraut und gemeinsam mit Alexander Van der Bellen Festspielveranstaltungen besuche, „wie sollte da der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder noch zaudern“? (Die Einschränkung der Besucherzahlen ist in Deutschland Ländersache.)

Extrem ist die Vorsicht auch im Zürcher Opernhaus. Wenn es dort am 20. September mit Boris Godunow losgeht, wird man eine Hybrid-Aufführung erleben: Orchester und Chor werden aus einem externen Proberaum, der zu einem Aufnahmestudio umfunktioniert wurde, live zur Aufführung ins Opernhaus übertragen. Leibhaftig da sind dann nur Sängerinnen und Sänger. Immerhin dürfen in Zürich 900 Leute in die Oper.

Übrigens ist uns aufgefallen: Aus Anlass von Steinmeiers Salzburg-Besuch am vergangenen Wochenende war ja nicht nur Van der Bellen da. Am Ende der dritten Festspielwoche hat sogar der österreichische Kulturminister Werner Kogler alle Angst abgelegt. Fürchtet er sich eigentlich mehr vor Corona oder vor der Kultur als solcher? Auch er ward jedenfalls gesichtet bei den Festspielen! Und sogar die Justizministerin Alma Zadic, wiewohl schwanger, hat sich hergetraut. Europaministerin Karoline Edstadtler stammt aus Salzburg, ist also sowieso von älplerisch-robuster Natur.

Also: Nur Mut, ihr Lieben, kommt öfter mal zu den Festspielen, es passiert schon nichts!