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Gott, Götter und Tragödien

IM WORTLAUT

20/05/10 „Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie“ - das ist in diesem Sommer Motto der Salzburger Festspiele. Erzbischof Alois Kothgasser sieht die Folgen einer Begegnung mit Gott verständlicherweise deutlich weniger pessimistisch. - Beim traditionellen Medienempfang hat der Salzburger Erzbischof eine bemerkenswerte Rede zum Thema gehalten und die Festspiele für ihr Motto ordentlich gerüffelt. Und den Schriftsteller Michael Köhlmeier, der den Festspielen das Motto "geliehen" hat, gleich mit dazu.

altVon Erzbischof Alois Kothgasser

„Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie“ – das Motto der Salzburger Festspiele im Jahr 2010 hat es in sich. Es lässt Gott und Mensch aufeinander los, und es entsteht – eine Tragödie. Das bedarf der Erklärung, präziser: einer Aufklärung. Sie ist schon deshalb notwendig, weil die Dialektik von Mythos und Aufklärung mit dem Titel der Festspiele und seiner programmatischen Anzeige durch den Schriftsteller Michael Köhlmeier ein weiteres Mal prekär wird.

Das Christentum – Papst Benedikt XVI. hat dies immer wieder betont – ist ein Projekt der Aufklärung in vielfältiger Weise. Darin unterscheidet es sich vom Mythos, und dies gibt ihm in religionskritischen Zeiten eine besondere Bedeutung und Verantwortung. Das gilt nach innen wie außen. Aufklärung in einem komplexen Sinn ist der Kirche abzuverlangen, gerade heute. Aufklärung tut aber auch angesichts des neuen Mythos von der inneren Gewaltförmigkeit der Religion und ihren gleichsam naturgesetzlich folgenden tragischen Auswirkungen auf den Menschen not. Dieser Mythos verwechselt Singular und Plural, und das im Blick auf den Mythos ebenso wie auf die Religion.

Der Festspieltitel arbeitet mit der Eindringlichkeit einer Unterstellung, die ins grundsätzlich Religionskritische reicht. „Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie“! Der Effekt dieses Mottos resultiert aus einer Umstellung mit Folgen. Die griechischen Mythen erzählen, unterschiedlich genug, von den Göttern, während die Salzburger Festspiele und Michael Köhlmeier als ihr Interpret von Gott sprechen. Jeder kann wissen, was gemeint ist: zunächst noch das griechische Pantheon, dann aber ausdrücklich der Monotheismus. Diese Unterstellung versprüht den Charme intellektueller Polizei, die mehr in Haft nimmt, als sie auf den ersten Blick preisgibt. Man soll Tragödie und Gewalt wittern, sobald es um Gott geht. Nur dass dies weder den antiken Erzählungen des Tragischen noch den kritischen Aufklärungsleistungen von Religionen gerecht wird. Dementsprechend behauptet der Text im Programmheft der Festspiele mehr, als er argumentativ einlöst. Als Nacherzählungen mythischer Skripten angelegt, sollen die Geschichten von Ariadne, Elektra, Orest und all den anderen Opfertätern der Gewalt fürs Prinzipielle aufkommen. Die Götter sind schuld, also Gott.

Die griechischen Tragödien legen eine andere Fährte. Im mythischen Material wird die Ausweglosigkeit von Schuld und Gewalt und menschlicher Existenz bestimmt. Man eignet sich den Mythos philosophisch an, um sich aus seinem Bann zu lösen. Und doch ist der Mythos nichts anderes als Sage und Dichtung über Götter, Helden und Geister, legendäre glorifizierte Personen. Es ist und bleibt immer sagenhaft, erdichtet. Die Theologie demgegenüber ist das Sprechen von Gott, wobei die Kirchenväter unterscheiden zwischen der „theologia“ und der „oikonomia“. Mit dem ersten Begriff bezeichnen sie das Mysterium des inneren Lebens des dreifaltigen Gottes, mit dem zweiten alle Werke, durch die dieser sich offenbart und sein Leben mitteilt. Durch die „oikonomia“ wird uns die „theologia“ enthüllt; umgekehrt aber erhält die „theologia“ die ganze „oikonomia“. Ähnlich verhält es sich in der Beziehung zwischen menschlichen Personen: die Person äußert sich in ihrem Tun, und je besser wir eine Person kennen, desto besser verstehen wir ihr Handeln.

Die Unterscheidung von Mythos und Theologie vollzieht sich bereits in den biblischen Texten, etwa in der Hinwendung des Volkes Israel zu fremden Göttern, wie es uns eindringlich im Buch der Makkabäer vor Augen geführt wird. Oder wie es in den Worten des Propheten Jeremia zum Ausdruck kommt: „Was fanden eure Väter Unrechtes an mir, dass sie sich von mir entfernten, nichtigen Göttern nachliefen und so selber zunichte wurden?“ (Jer 2,5).

„Wo Gott und Mensch zusammenstoßen, entsteht Tragödie“ – das klingt grund­sätzlich und Michael Köhlmeier scheint dies erläuternd zu begründen, wenn er sagt: „Dionysos trägt den Monotheismus als Programm in sich. Er besteht auf dem Ich. Dionysos ist das tyrannische Ich. Am Ende wird er tatsächlich alle anderen Götter marginalisiert haben – und den Menschen die Vision einer verbindlichen Moral gegeben haben, wenigstens die Vision. Zugleich aber wird er ihnen die Freiheit, die eben darin besteht, von den Göttern nicht geliebt zu werden, genommen haben. Es wird dauern, lange dauern, bis die Menschen einsehen, dass die Liebe eines einzigen Gottes ein Höchstmaß an Unfreiheit bedeutet, dass es keine stärkeren Fesseln gibt als die Liebe eines Gottes – vor allem, wenn diese Liebe in einem Akt der Selbstopferung ihre Erfüllung findet.“

Die Liebe eines einzigen Gottes ein Höchstmaß an Unfreiheit? Der biblische Befund widerspricht dieser These gerade im Blick auf Jesus Christus, dem Sohne Gottes, und seiner Ganzhingabe am Kreuz fundamental. Unfreiheit, Tyrannei und Gewalt ist Frucht mythischen Götterglaubens und niemals Ergebnis jesuanischer Lebensform. Die Tragödie des wehrlosen Menschen wird mit dem Sterben des Jesus von Nazareth einer anderen Regie unterworfen. Der mythische Ablauf, dem der Mensch als Akteur wie als Opfer ohnmächtig ausgeliefert ist, wird durchbrochen. Der Gott des Alten und Neuen Bundes, der Gott der Juden und Christen, ist ein Gott mit uns und nicht gegen uns, ein Gott sich verschenkender Liebe und nicht ein Gott egoistischer Selbstverliebtheit.

Der Versuchung zu Gewalt, zu Unfreiheit haben auch Christen oftmals nachgegeben, bis heute. Deshalb muss und wird die Kirche auch immer wieder mit ihrer eigenen Wahrheit konfrontiert, aber nicht nur sie. Das Drama am Kreuz von Golgotha unter­scheidet sich wesenhaft von mythischer Kunstreligion gleich welchen Zuschnitts. Das Kreuz erweckt den Anschein des Scheiterns, ist aber letztlich Durchbruch zum Leben, zum Leben in Fülle ohne Ende. Den Gott des monotheistischen Bekenntnisses mit den Göttern des griechischen Mythos über einen religionskritischen Kamm zu scheren, ist Aspekt einer eigenen Geschichte der Gewalt. Dass sie mythisch blind bleibt, ist – eine Tragödie.

Die Salzburger Festspiele haben mit der Selbstinszenierung ihres Titels schon begonnen. Man muss auf differenziertere Ausführungen hoffen.

Erzbischof Alois Kothgasser hat diese Rede am Mittwoch (19.5.) beim traditionellen Medienempfang vor Salzburger Journalisten gehalten.
Bild: dpk-krie

 

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