Jauchzet, frohlocket!
STICH-WORT
20/12/24 Es wären gar armselige Weihnachten ohne Bachs Weihnachtsoratorium. Collegium Vocale und das L'Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg: das gehört seit vielen Jahren zur jahreszeitlichen Folklore. Heuer lässt auch BachWerkVokal das Werk hören.
Von Reinhard Kriechbaum
Bach sprach selbst vom Weihnachtsoratorium, es ist also mehr als die Aneinanderkettung von sechs Kantaten. Die Uraufführung fand an den sechs Gottesdiensten zwischen dem ersten Weihnachtstag (25. Dezember 1734) und dem Dreikönigsfest (6. Januar 1735) statt. Nicht wenig Stress für den Thomaskantor: Die Teile I, II, IV und VI wurden zweimal an einem Tag aufgeführt, jeweils morgens und nachmittags in den Leipziger Hauptkirchen St. Thomas und St. Nikolai. Die Teile III und V nur in St. Nikolai. Spätere Aufführungen zu Bachs Lebzeiten sind nicht dokumentiert, aber man darf wohl annehmen, dass Bach seine Werke nicht einfach im Notenarchiv hat verschwinden lassen.
Vorläufer der Weihnachtsoratorien waren im 17. Jahrhundert so genannte Weihnachtshistorien, die im 17. Jahrhundert entstanden. Diese Historien waren geistliche Konzerte, in denen das Evangelium an hohen kirchlichen Feiertagen auf besonders festliche Weise vertont wurde. Das Musterbeispiel dafür schuf Heinrich Schütz. Seine Weihnachtshistorie wird hierzulande entschieden zu selten gespielt. Es wäre wohl auch lohnend anderen Vorläufern des Bachsch'schen Weihnachtsoratoriums nachzuspüren: Thomas Selle hat in seine Vertonung des biblischen Textes schon „Intermedien“ eingebracht, und in Johann Schelles Actus musicus auf Weyh-Nachten (etwa 1683) finden sich auch schon Kirchenliedstrophen als Einschübe hinzu, als Ariosi oder Choräle. In der Bach-Zeit sind die Oratorien dann textlich ein Konglomerat aus Bibelworten, Kirchenliedern und pietistischen Neudichtungen, die Inhalte theologisch ausdeuten.
Bach selbst also nennt im gedruckten Textbuch die sechs Kantaten Weihnachtsoratorium. Auch Zeitgenossen wie Georg Philipp Telemann oder Carl Heinrich Graun schrieben Weihnachtsoratorien. Bachs Werk hat sich auf lange Zeit also gegen eine nicht unbedeutende Konkurrenz durchgesetzt. Die Praxis, so groß angelegte Werke auf mehrere Festtage zu verteilen, geht nicht auf Bach zurück, sondern knüpft an damals bestehende Traditionen an. Bach hatte diese Möglichkeit im Jahr 1705 bei seinem Besuch in Lübeck kennengelernt, wo im Rahmen von Dietrich Buxtehudes Abendmusiken größere Oratorien abschnittsweise über mehrere Tage aufgeführt wurden. Auch bei Passions- und Osterhistorien des 18. Jahrhunderts hat man das gelegentlich so gehandhabt.
Üblicher Brauch auch war das Recyceln bestehender Kompositionen: Zum Beispiel stammt der jedem Musikfreund geläufige Eingangschor Jauchzet, frohlocket aus der Kantate BWV 214 Tönet, ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!. Es ist eine Glückwunschkantate für ein Mitglied des sächsischen Herrscherhauses. Bach hat gerne sein eigenes Schaffen auf Knüller abgeklopft.
Bei der Bachgesellschaft werden heuer die Teile I, II, III und VI aufgeführt, morgen Samstag (21.12.) um 19.30 Uhr im Großen Saal des Mozarteums. Gordon Safari und BachWerVokal werden das erste Mal am Stephanitag (26.12.) um 18 Uhr in der Pfarrkirche Mülln aktiv (Teile I bis III). Die Teile IV bis VI kommen dann zu Dreikönig (6.1.) um 18 Uhr in der Christuskirche Salzburg dran.
Wer das Jauchzen und Frohlocken über die Weihnachtszeit hinaus verlängern will, dem sei die CD Jauchzet & lobet von BachWerkVokal wärmstens empfohlen. Da sind vier einschlägige Kantaten Bachs beieinander. Gordon Safari hat diese CD 2023 in der Leipziger Thomaskirche aufgenommen. Damit bildet diese Aufnahme auch das quasi originale räumliche Klangbild am Uraufführungsort ab. Zwei CDs von BachWerkVokal, Cantate Domino (2019) und Jesu meine Freude (2021) wurden für den Opus Klassik, den Preis der Deutschen Schallplattenkritik und die ICMAAwards nominiert.
Weitere Informationen bei der Salzburger Bachgesellschaft und bei BachWerkVokal
Bilder: Wikimedia (1); Bachgesellschaft/Mario Balzi (1); BachWerkVokal (1)