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Ukrainian Freedom Orchestra

STICH-WORT

29/04/22 Das Unternehmen erinnert an die Philharmonia Hungarica, die über Jahrzehnte Gast war in den mittgeleuropäischen Abo-Zyklen, natürlich auch in Salzburg: Die Metropolitan Opera New York und die Polnische Nationaloper gründen ein Ensemble mit Namen Ukrainian Freedom Orchestra. Dieses geht Ende Juli und im August auf eine erste Tournee. Leider nicht nach Salzburg.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Philharmonia Hungarica könnte als Vorbild dienen, wenn wir natürlich nicht hoffen, dass die Ukraine so wie Ungarn ab dem Jahr 1956 ein Land unter dem politischen Zugriff Russlands (bzw. damals der Sowjetunion) bleibt. Mit der Philharmonia Hungarica war es so: 1956 kamen natürlich auch voele ungarische Musiker in den Westen, nachdem der Volksaufstand in ihrer Heimat durch die einrollenden Panzer der Sowjetarmee beendet worden war. In Österreich, im Hotel Esplanade in Baden bei Wien gründeten sie ein Exilantenorchester, das bald seinen Sitz im deutschen Marl nahm. Antal Dorati arbeitete als Dirigent oft mit der Philharmonia Hungarica zusammen, auch Justus Frantz und Jehudi Menuhin. In einer Zeit, da der Betrieb in Orchester-Aboreihen ganz wesentlich von (preisgünstigen) Ensembles aus dem Ostblock mitgetragen wurde, war vielen Konzertbesuchern gar nicht immer bewusst, dass die Philharmonia Hungarica eigentlich ein deutsches Orchester war. Sie löste sich dann bald nach der Wende auf.

Auch andere renommierte Orchester gehen auf politische und kriegerische Verwerfungen zurück: Das Israel Philharmonic Orchestra entstand aus einem Ensemble zurück, das in den 1930er Jahren von Bronisław Huberman in Palästina gegründet wurde, um jüdische Musiker vor dem Holocaust zu retten. Daniel Barenboims 1999 gegründetes West-Eastern Divan Orchestra bringt Musiker aus Israel und den arabischen Ländern zusammen. Das Nationale Musikinstitut Afghanistans, das lange Zeit im Visier der Taliban stand, hatte vor der jüngsten Übernahme des Landes durch die Taliban ebenfalls Ensembles in die Welt geschickt.

Nun also das Ukrainian Freedom Orchestra. Es besteht aus geflüchteten Musikerinnen und ukrainischen Mitgliedern europäischer Orchester. Das ukrainische Ministerium für Kultur und Informationspolitik unterstützt das Projekt, indem es ermöglicht männliche Musiker vom Militärdienst zu befreien – „ein bemerkenswertes Zeichen der Kraft von Kunst und Kultur“, heißt es in einer Presseaussendung. Die Musikerinnen und Musiker kommen unter anderem aus der Kiewer Nationaloper, dem Nationalen Symphonieorchester der Ukraine, der Lemberger Philharmonie und der Oper Charkiw.

Die Proben vor der Welttournee finden in Warschau statt. Unter der Leitung der kanadisch-ukrainischen Dirigentin Keri-Lynn Wilson wird das Orchesterunter anderem die Siebente Symphonie des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov aufführen, Solistin in einem Chopin-Konzert ist die Ukrainerin Anna Fedorova. Und die ukrainische Sopranistin Liudmyla Monastyrska, die in diesem Frühjahr die Titelrolle der Turandot an der Met singt, wird Leonores Arie Abscheulicher! aus Beethovens Fidelio singen, ein Loblied auf Menschlichkeit und Frieden im Angesicht von Gewalt und Grausamkeit.

Tournee-Orte sind unter anderem London (BBC Proms), das Festival d'Orange, New York und Washington, das Amsterdamer Concertgebouw und die Hamburger Elbphilharmonie. Das Salzburg nächstgelegene Konzert findet am 1. August in München (Isarphilharmonie) statt.

Über das Ukrainian Freedom OrchestraDer Erlös der Tournee kommt ukrainischen Künstler:innen zugute, man kann auch online spenden 
Bild: Filmstill / www.keri-lynnwilson.com

 

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