Eine deutlich neue, individuelle Handschrift
SALZBURGER FESTSPIELE 2012 / DAS SCHAUSPIEL
14/11/11 Jeweils „ein großes Stück des Kanons“ dürfe nicht fehlen künftighin, so der neue Schauspieldirektor der Festspiele, Sven-Eric Bechtolf. 2012 wird das Kleists „Prinz von Homburg“ sein, inszeniert von Andrea Breth.
Von Reinhard Kriechbaum
Eine neue Handschrift ist unverkennbar, und das ist gut so. Thomas Oberender hat in den vergangenen Jahren ja querfeldein eingekauft und das Schauspiel vielen Modernismen unserer Tage geöffnet. Sven-Eric Bechtolf geht, wie man dem Spielplan für den kommenden Festspielsommer herauslesen kann, einen wesentlich individuelleren, vielleicht gar eigenbrötlerischen Weg, auch wenn er sagt: „Festspiele sind die Sonntage des Theaters, wenn ihr Programm exemplarisch ist. Dies kann aber nur erreicht werden, wenn es die Polyphonie von unterschiedlichsten Künstler/innen, Werken, Interessen und Spielarten nicht nur zulässt, sondern befördert und bewusst repräsentiert.“
Zur Polyphonie wird gewiss die Schauspiel-Residenz von Irina Brook (der Tochter von Peter Brook) beitragen. Sie erarbeitet für die Pernerinsel Henrik Ibsens „Peer Gynt“, in englischer Sprache. Ebenfalls auf der Pernerinsel wird die Shakespeare-Produktion „Der Sturm“ zu sehen sein, diese in französischer Sprache.
Händl Klaus schreibt auf Auftrag der Festspiele ein Stück mit dem Titel „Meine Bienen. Eine Schneise“, Nicolaus Liautard wird es im Landestheater inszenieren. „Vaterlos sind die Bienen: Königin und Arbeiterinnen bilden ihren sammelwütigen Staat, ein großes Matriarchat. – Allein mit der Mutter lebt Lukas im Wald. Sein Vater ist ihm unbekannt; das Kind ist zwar im Weitsprung begabt, aber die Sprünge gehen ins Leere.“ So Händl Klaus über das Stück, in dessen Verlauf verschiedene „mögliche Väter“ auftauchen: „Aus ihren Spuren, die weit zurück reichen, und den Schlüssen, die sie ziehen, entsteht ein zitterndes Bild, von Bienen erwidert – die sie umkreisen." Einer dieser optionalen Vater-Figuren ist André Jung.
Die Programmschiene “Dichter zu Gast“ wird Sven-Eric Bechtolf nicht weiterführen, dafür wird der jeweilige Autor des Auftragswerks fürs Schauspiel der „Festspielschreiber“. Er hoffe, so der Schauspielchef, „dass wir später eine fünfbändige Chronik vorlegen können“. Dafür sei eine Zusammenarbeit mit dem Salzburger Verlag Jung & Jung verabredet.
Die Musicbanda Franui, hierorts regelmäßig zu Gast schon in Gustav Kuhns Dezember-Festival „Delirium“, ist nicht nur tragendes Element im Stück von Klaus Händl, sondern ist auch zu drei Liedprogrammen eingeladen. Sven Erich Bechtolf und Franui gehen ja öfters mal miteinander auf Tournee. Drei „Ariadne-Matineen“ sind angesagt (überhaupt soll es künftig immer auch Verschränkungen zwischen Oper und Schauspiel geben, diesmal ist Strauss‘ „Ariadne“ der Einhakpunkt). Es fällt auf, dass das Schauspielprogramm wohltuend entschlackt wurde – zuletzt sind ja die Nachhaltigkeit suggerierenden Begleitveranstaltungen ins Kraut geschossen.
„Das Figurentheater gehört zu den ersten und ältesten Theaterformen“, und diesen – eben nicht – Randbereich will Sven-Eric Bechtolf bei den Festspielen verankert wissen. „Der das ganze Theaterspiel konstituierende Vorgang der Illusion und Desillusion wird kaum irgendwo deutlicher als in der scheinbar so naiven Verabredung zwischen Publikum und Spielern. Das Unbeseelte wird lebendig – durch die Phantasie beider Partner: hinter und vor der Bühne.“
Auftakt ist die Zusammenarbeit mit den Nürnberger „Thalias Kompagnons“: Mit der Koproduktion von Raimunds „Der Bauer als Millionär“ hat man sogar ein Werk des österreichischen „Kanons“ parat. Außerdem zeigen „Thalias Kompagnons“ „Kafkas Schloss“. Spielort für beide Aufführungen ist das Schauspielhaus.
Bleibt noch der neue Bereich Kindertheater: Für Publikum ab fünf Jahren zeigt das Theatre-Rites um Sue Buckmaster (London) das textlose Stück „Mojo“, auf der Pernerinsel. (Wird fortgesetzt)