Abbados Rückkehr für die Kirchenmusik
SALZBURGER FESTSPIELE 2012 / OUVERTURE SPIRITUELLE
13/11/11 Wenn er 2012 Mozarts „Waisenhausmesse“ und Schuberts Messe in Es-Dur dirigiert, wird sein letzter Festspielauftritt genau zehn Jahre her sein: Claudio Abbado kommt mit seinem „Orchestra Mozart“ im kommenden Sommer zur Eröffnungsreihe „Ouverture spirituelle“.
Von Reinhard Kriechbaum
Es ist ja nicht so, dass Alexander Pereira mit dem Kirchenmusik-Akzent etwas völlig Neues erfände. Die vielen Kirchen und die einschlägige Musikgeschichte im einstigen Fürsterzbistum sind auch schon früheren Festspielintendanten aufgefallen. Zuletzt hatte Peter Ruzicka beispielsweise die Kirchenmusik zu einer der programmatischen Säulen erklärt. Sie ist leider gleich nach seinem ersten Intendantenjahr eingeknickt.
Alexander Pereira nutzt nun die Kirchenmusik zu einem „Vor-Festspiel“ und gibt unumwunden zu, dass das auch ein Trick ist, um Raum für die Vorbereitung der ersten Opernpremieren freizuschaufeln. Inhaltlich argumentiert Pereira in Sachen Kirchenmusik so: Die Kirchen hätten immer weniger Geld, um diese Pretiosen entsprechend zu pflegen – und auch die Konzertveranstalter, zu denen dieses Repertoire also gleichsam „ausgelagert“ werde, hätten mit dem Aufwand für Orchester, Chöre und Solisten ihre liebe Not. Eine hehre Aufgabe für die Festspiele also, wie Pereira meint.
Was ihm vorschwebt in den nächsten Jahren, ist eine Erweiterung über den christlichen – also: katholischen und evangelischen – Kulturkreis hinaus. Das Jüdische Element im kommenden Festspielsommer ist vergleichsweise einfach in den Griff zu bekommen: Zubin Mehta wird drei Mal das Israel Philharmonic Orchestra leiten und Stücke wie Schönbergs „Kol Nidre“, Ernest Blochs „Avodath Hakodesh“ und auch Gustav Mahlers „Kindertotenlieder“ (mit Thomas Hampson) dirigieren. Aber auch Bruckners „Te Deum“ und dessen Siebente Symphonie sind Teil dieser Orchester-Residenz von 24. Bis 26. Juli.
Für die darauffolgenden Festspielsommer hat Alexander Pereira Perspektiven auf die buddhistische und hinduistische Musik, auf jene des Islam und auch auf die orthodoxe Kirchenmusik angekündigt.
Zwei Mal ist für 2012 John Eliot Gardiner verpflichtet. Er eröffnet die „Ouverture spirituelle“ und damit die Festspiele bereits am 20. Juli mit Haydns „Schöpfung“ in englischer Sprache. Auch Mozarts c-Moll-Messe, eine Traditionsaufführung bei den Festspielen in St. Peter, wandert zeitlich nach vorne. Das Vokalensemble „accentus“ und die Camerata Salzburg unter Laurence Equilbey führen sie in Kombination mit einem Auftragswerk von Johannes Maria Staud auf.
Die meisten der Konzerte finden dann ja doch im Großen Festspielhaus statt, auch wenn Alexander Pereira eigens auf die vielen schönen Kirchen in Salzburg verweist. Das Abbado-Konzert am 28. Juli ist im Haus für Mozart. Den Kirchenmusik-Reigen beendet Nikolaus Harnoncourt mit dem Arnold Schoenberg Chor und dem Concentus Musicus Wien aber im Dom, am 29. Juli zur Nachmittagsstunde: mit der Sakraments-Litanei von Mozart und dessen „Missa longa“. Fürchtet man nicht den extrem langen Nachhall in diesem Raum? Man hat sich der riesigen flämischen Gobelins aus der Barockzeit erinnert. Sie werden nicht mal zu allen heiligen Zeiten, sondern nur zu extrem raren Anlässen an den Langhauswänden entrollt. Es wird spannend, ob sie die Akustik wahrnehmbar positiv beeinflussen. Ein zusätzliches Fest fürs Auge werden diese kunsthandwerklichen Kostbarkeiten alleweil sein. (Wird fortgesetzt)