Das Schicksal schlägt mit aller Macht zu
FESTSPIELE 2025 / OUVERTURE SPIRITUELLE
06/12/24 Was nach dem Schiffbruch der französischen Fregatte Medusa 1816 auf dem Rettungsfloß passiert ist – Kannibalismus aus Verzweiflung – das sollte „besser für alle Zeiten der Menschheit verborgen bleiben“, schrieb damals der Marineminister an den französischen König. Ist es natürlich nicht.
Von Reinhard Kriechbaum
Bald darauf hat Théodore Géricault dem Thema sein berühmtes Kolossalgemälde gewidmet. Hans Werner Henze hat aus dem Stoff ein Oratorium gemacht – Das Floß der Medusa eröffnet im kommenden Sommer die Ouverture spirituelle der Festspiele. Als die Medusa vor der Küste Westafrikas strandete, wurden Besatzungsmitglieder und Passagiere auf einem notdürftigen Floß dem Ozean überlassen, wogegen sich die Verantwortlichen in Sicherheit brachten. Ein Schicksal, das so nicht hätte eintreten dürfen.
Fürs Thema Fatum der Ouverture spirituelle natürlich ein mehr als geeigneter, aufrüttelnder Stoff. Die Chöre des BR und WDR sind aufgeboten, das RSO Wien, der Dirigent Ingo Metzmacher, Kathrin Zukowski (Sopran), Georg Nigl (Bariton) und der Schauspieler Jakob Diehl. Das wird gewiss ein wirkkräftiger Auftakt am 18. Juli in der Felsenreitschule.
Das Fatum also in allerlei Ausleuchtungen: Den Prophetiae Sibyllarum hat Orlando die Lasso ein umfängliches Chorwerk gewidmet, aber auch Beat Furrer hat Prophezeiungen komponiert geschrieben – ein Fall also für Cantando Admont, ein unterdessen unverzichtbares Ensemble in der Festspiel-Vorwoche. Den Timor Dei lehrt das Ensemble Vox luminis am Beispiel von Stücken von Giacomo Carissimi und Marc-Antoine Charpentier. Und dann gleich noch die Tallis Scholars mit Gesualdo. Eine ordentliche Potenz an Vokalmusik, natürlich verbunden mit Zeitgenössischem, wie meistens bei der Ouverture spirituelle.
Nicht alltäglich, dass ein Künstler in Bachs Johannes-Passion die Partie des Jesus singt und gleich auch die Gesamtleitung über hat: Lionel Meunier steht Vox Luminis und dem Freiburger Barockorchester vor. Musica dolorosa hat die Camerata Salzburg im Gepäck, unter anderem von Galina Ustwolksaja, und da ist Markus Hinterhäuser erwartungsgemäß nicht weit... Das Fatum hat in Form von Zensur auf Schostakowitsch mehrmals hingeschlagen. Dessen Zehnte Symphonie in einer Fassung für zwei Klaviere nehmen sich Lukas Sternath und Igor Levit vor.
Wie üblich ist der Übergang von der Ouverture spirituelle ins reguläre Programm fließend: Strawinskys Oedipus Rex mit den Wiener Philharmonikern gehört dazu, aber auch die szenische Opernproduktion One Morning Turns into an Eternity (mit Schönbergs Erwartung und Mahlers Abschied) in Peter Sellars Inszenierung. Und auch die konzertante Aufführung der 2002 entstandenen Oper Macbeth von Salvatore Sciarrino und das Monodram Kassandra von Michael Jarrell.
Stichtag für alle Kaufkartenbestellungen ist der 21. Januar 2025. Direktbuchungen über die Website sind ab 21. März 2025 möglich – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder. Salzburger Festspiele / feliXbroede (1); Anita Schmid (1); Jennifer Taylor (1)