Auf der Himmelsstraße

FESTSPIELE / OFFICIUM DEFUNKTORUM

21/07/21 Es heißt ja so schön, dass der Weg in die Hölle mit guten Vorsätzen gespflastert sei. Aber wie sieht der Bodenbelag der Strecke in Gegenrichtung aus? Unter dem Motto Officium defunctorum hielt die Ouverture spirituelle am Dienstag (20.7.) zwei Vorahnungen in Sachen Strada del cielo bereit.

Von Reinhard Kriechbaum

Halten wir uns an Olivier Messiaen, speziell an sein 1965 entstandenes Werk Et exspecto resurrectionem mortuorum, dann könnte man leicht zum Schluss kommen: Es wird eng auf dem Pfad ins himmlische Jenseits, denn da steht unglaublich viel Metallgerümpel herum. Manches aus edlerem Material (Röhrenglocken), die ausgiebig bimmeln. Aber noch viel mehr Blech in Form einer Tamtam-Zusammenrottung sondergleichen. Das knirscht ganz gewaltig.

Bevor nun das Wort Blechschaden fällt: Der Schreiber dieser Zeilen gesteht, dass er mit dem Megalo-Mystizismus von Messiaen, mit der Verbrämung aus katholischem Erlösungsverständnis, Naturmystik, fernöstlichen Tonskalen und Vogelrufen im Grunde herzlich wenig anfangen weiß. Gerade wenn man, wie an am Dienstag (20.7.) im Konzert am frühen Abend das in jeder Hinsicht feinsinnige Quatuor pour la fin du temps aus dem Jahr 1941 taufrisch im Ohr hatte, war die Begegnung mit Et exspecto resurrectionem mortuorum, sagen wir, ernüchternd. Die riesige Blasmusikbesetzung und das Arsenal an metallenem Schlagzeug tun natürlich seine Wirkung. Aber es ist eines jener Werke von Messiaen, die seine Ideen extrem marktschreierisch im Wortsinn hinausposaunen.

Dieses Holzschnitt-Musiktableau also hat das Klangforum Wien unter Pablo Heras-Casado übersichtlich ausgebreitet. Es war gerade nicht zu groß für die Kollegienkirche, und das will was heißen. Das Officium defunctorum des spanischen Renaissancemeisters Cristobál de Morales aus dem frühen 16. Jahrhundert füllte zuvor den Riesenraum mindestens genau so gut. Auch das ist nicht selbstverständlich, es passt nämlich keineswegs jede Kirchenmusik in jeden Kirchenraum.

Für die Psalmen und Schriftlesungen an der Totenbahre müssen wir in Spanien an mystisches Kerzenlicht, an schwarz verhängte Wände, an schwarze Kostüme mit steifen gefalteten Krägen denken. Jedenfalls nicht ans sympathische Blütenweiß der frisch aus dem Ei gepellten Kollegienkirche. Aber Jordi Savall, elf Männer seiner Capella Reial de Catalunya und ein kleines Bläser- und Continuogrüppchen von Hesperion XXI gehen mit dieser Musik so um, dass Größe kein Thema ist. Vor allem auch nicht Wahrhaftigkeit im Ausdruck (und das ist, so nebeneinanderstehend, das eigentliche Problem mit Messiaen). Jordi Savall ist der Kenner schlechthin, was die spanische Musik dieser Epoche betrifft, und er ist ein geeichter Dramaturg. Er weiß, wo es gilt, den Hörern die geringstimmig besetzten Psalmverse und Passagen aus dem Buch Hiob mit genauer Deklamation, plastisch in der polyphonen Struktur nahe zu bringen – und dann wieder mit fülligerem Klang, gestützt von Zink, zwei Bläsern und Pommer, auch dem tönenden „Zeremoniell“ zu seinem Recht zu verhelfen. Circumdederunt me gemitus mortis, es umgeben mich Wehklagen der Toten: Das Totenoffizium offeriert nicht nur einprägsame Musik, sondern auch nachdrücklich-poetische Sprachbilder. Die vorkonziliare Liturgie hatte schon auch was für sich...

Heute Mittwoch (21.7.) muss man lange aufbleiben, bis um 22.30 Uhr in der Kollegienkirche das ewige Licht angeknipst wird, von Teodor Currentzis und seinen musicAeterna-Ensembles. Mit Ligetis Lux aeterna also ein weiterer Klassiker der Moderne.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli