asdf
 

Das ganze Betriebssystem Kunst

SALZBURG MUSEUM / DE SCULPTURA

22/03/13 Die Ausstellung „de sculptura“ spannt den Bogen zwischen einem antiken Torso und einem Torso von Auguste Rodin. Aus den gut zweitausend Jahren dazwischen: römische Porträts, Plastiken aus der Renaissance, dem Barock und dem 19. Jahrhundert. Solche Stücke hat Salzburg nur selten gesehen! Neben den Prachtstücken aus der Dresdener Skulpturensammlung überzeugen aber auch die Arbeiten heutiger Künstlerinnen und Künstler, die auf die Dresdener Schätze mit neuen Werken „reagiert“ haben.

Von Heidemarie Klabacher

So zur Geltung gekommen ist die Kunsthalle im Keller des Salzburg Museum noch nie. Der simple klare Raum ist der ideale Rahmen für die überwältigenden Werke aus der Dresdener Skulpturensammlung: „Klassisch“ jedes einzelne vorn ihnen, egal ob es sich nun Marmorskulpturen wie den Porträtkopf eines alten Mannes aus dem ersten oder den Torso eines Herakles aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus handelt, oder um Bronzefiguren, wie die beiden Flussallegorien aus dem 17. oder einen Prometheus aus dem 19. Jahrhundert.

Aufgestellt sind die Figuren auf übergroßen mächtigen Sockeln, die ihrerseits als „Objekte“ den Raum mitfüllen, vor allem aber mit reizvollen Durchblicken teils durch die ganze Halle reizvoll strukturieren. Für die Ausstellungsgestaltung zeichnet Karl Heinz Klopf verantwortlich.

Mit den Pretiosen aus Dresden korrespondieren auf das Reizvollste und Anschaulichste moderne Arbeiten von vier Künstlerinnen und Künstlern der Gegenwart. Stéphane Couturier, Katharina Gaenssler, Katharina Mayer und Lois Renner wurden von Salzburg Museums-Direktor Martin Hochleitne, eingeladen – nicht beauftragt, darauf legte man heute Freitag (22.3.) bei der Pressepräsentation großen Wert -, auf die Dresdener Kunstwerke und die dortige Präsentation "zu reagieren". Die Werke, die so in den letzten Monaten entstanden sind, werden als Teil des Gesamtprojekts „de sculptura“ ebenfalls in der Kunsthalle präsentiert.

Katharina Gaenssler hat das „Schaudepot von Barock bis Gegenwart“ und das „Gläserne Depot“ in der Skulpturensammlung in Dresden fotografiert. Den Ausgangspunkt ihres Projektes bildet eine Vielzahl von Einzelfotografien, die von der Künstlerin wie Pixel zu einem Bild zusammengesetzt werden. Entstanden sind zwei tatsächlich wandgroße Collagen, die zwei Räume aus Dresden nach Salzburg übertragen, und zudem eine reizvolle Folie für die im Raum präsentierten Skulpturen darstellen.

Auch die Bilder von Lois Renner sind das Ergebnis seines Arbeitsaufenthalts in der Dresdner Skulpturensammlung: Er hat ein Modell seines Wiener Ateliers nach Dresden gekarrt und in der Skulpturensammlung aufgestellt. Allein schon die Größenverhältnisse zwischen Architekturmodell und Skulpturen bewirkten schräge Verfremdungseffekte. Da weiß man nicht, ist eine Trittleiter jetzt echt oder gemalt. Diese Bilder haben Witz – und sie spielen souverän mit Abbild und Wirklichkeit, ja mit Raum und Zeit.

Stéphane Couturier packt für seine Bilder normalerweise unendlich viele Objekte auf engstem Raum zusammen – „hohe Informationsdichte“ nennt man das. In den Schaudepots der Dresdner Skulpturensammlung war es freilich nicht nötig, Objekte eigens zusammenzustellen. Dort drängen sich die Exponate ohnehin auf engstem Raum. Stéphane Couturier brauchte quasi nur zu fotografieren und die Bilder auf seine spezielle Art und Weise „zu entwickeln“: mit dem Effekt, dass man angesichts der beinahe schwarzen Oberfläche und den nur geisterhaft changierenden Figuren kaum sagen kann, ob es sich um Malerei oder Fotographie handelt. Katharina Mayer hat 23 Fotografien zusammengestellt, die Teils ebenfalls in Dresden entstanden sind. Dieses Tableau zeigt zwar einzelne Bilder, die "Museumsduft" atmen, wirkt insgesamt aber eher beliebig.

Ein weiteres Element der Schau „de sculptura“ sind Fotografien von Barbara Klemm: Im August 2002 traf das "Jahrhunderthochwasser" der Elbe auch die Skulpturensammlung. Als das Wasser in die Kellergewölbe eindrang, musste das neu gestaltete Schaudepot der Abguss-Sammlung in einer dramatischen Rettungsaktion geborgen werden.

4.000 Abgüsse nach Werken aus allen Epochen der Kunstgeschichte wurden evakuiert und in den höheren Geschoßen zwischen den Werken der ständigen Ausstellungen aufgestellt. So entstand im Südflügel des Albertinums eine unkonventionelle „Sonderausstellung“. Barbara Klemm, die von 1959 bis 2004 Fotografin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ war, fotografierte in der "Evakuierungs- und Rettungszone".

Dabei ging sie weit über eine einfache Dokumentation hinaus. Die Wahl des Ausschnitts und ihr Gespür für die Valeurs des Schwarzweiß verleihen ihren Werken eine Atmosphäre, die das schicksalhafte Ereignis eindrucksvoll und bedrückend wiedergeben. Die antiken Marmorskulpturen, die seit 1969 in der Renaissancehalle Platz zur Entfaltung hatten, ragen einsam und sich selbst entfremdet aus der Fülle der Werke späterer Jahrhunderte hervor. In der zufälligen Zusammenstellung werden die Vielfalt der Sammlung und das ihr innewohnende Potenzial deutlich.

Von Winckelmann (seine Büste ist da, Ferdinand Pettrich hat sie 1866 klassisch genug geschaffen) und dem Klassizismus, Goethes Propyläen und dem ganzen Spiel der Nachahmung der Griechischen Kunst sei hier gar nicht die Rede. Da findet jeder für sich Bezüge und Anspielungen genug. „de sculptura“ hat das Zeug zu einer Jahrhundertausstellung in Salzburg. Nicht allein sind die Exponate bewundernstwert. Wie sehr Künstler auf die Kunst der Jahrhunderte und sogar Jahrtausende vor ihnen reagieren, Einflüsse, Querverbindungen: All das wird eindrücklich, anregend und sinnlich - und erstaunlicherweise ganz und gar unakademisch - greifbar.

"de sculptura. Blicke in die Dresdener Skulpturensammlung" - bis 30. Juni - www.salzburgmuseum.at
Bilder: Salzburg Museum (1); dpk-klaba

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014