Sandwich-Erzbischof mit Steinbock

DOMMUSEUM / MARCUS SITTICUS

10/05/12 Dürfen hat man rein gar nichts: 1616 erließ Erzbischof Marcus Sitticus einen „Erlass gegen Gotteslästerung, Fluchen und Schwören, Unzucht, Hurerei und Kuppelei“. Vor vierhundert Jahren hat Marcus Sitticus von Hohenems, Landesfürst von 1612 bis 1619, sein Amt als Erzbischof von Salzburg angetreten.

Von Reinhard Kriechbaum

Wie ist man eigentlich damals Erzbischof geworden? Eine gute Vernetzung hat nicht geschadet, in angeheirateten Familienzweigen finden sich ein Papst (Pius IV.), ein prominenter Heiliger (der Mailänder Erzbischof Karl Borromäus) und ein Kardinal (der auch auf den Namen Marcus Sitticus hörte). Amtsvorgänger Wolf Dietrich war auch ein Verwandter, aber der wanderte bekanntlich in Festungshaft. Letzteres hat ihm nachhaltige Antipathie eingetragen im Urteil der Nachwelt.

Marcus Sitticus hat – außer einer denkbar schlechten Nachrede seitens der Historiker, bis in jüngste Zeit – vor allem Bauwerke hinterlassen, die Salzburgs singuläre Stellung als Barockstadt begründeten. Am Dom waren, als er starb, gerade die Seitenschiffe und die Apsis mit Dach versehen. Hellbrunn mit Wasserspielen und Monatsschlössl war fertig. Drei Stadttore wurden errichtet, außerdem das Tor von der Linzergasse zum Kapuzinerberg hinauf. Bautätigkeit auch sonst an allen Ecke und Enden, in Stadt und Land (Pfarrkirchen von Radstadt, Flachau und Wagrain, Stadtmauer von Radstadt, einige Ansitze wie Schloss Rif). Es herrscht kein Mangel an Bau-Inschriften und Wappen mit dem unverwechselbaren Steinbock-Motiv des Marcus Sitticus.

Demgegenüber zeigt sich, dass archivalische Urkunden und Kunstobjekte, die unmittelbar mit diesem Erzbischof in Verbindung zu bringen sind, spärlich auf uns gekommen sind. Letztlich war er ein Sandwich-Erzbischof zwischen den wesentlich wichtigeren Persönlichkeiten Wolf Dietrich und Paris Lodron. Von der unmittelbar-persönlichen Seite greift man die historische Persönlichkeit im Dommuseum. Im Zentrum stehen Familienbilder, die man aus dem ostböhmischen Poli?ka borgte. Warum sind diese Bilder dort? Die Dynastie aus dem Vorarlberger Hohenems war dorthin ausgewandert. Und als sie erlosch, fiel der Besitz dem Staat zu.

Ein ansehnliches güldenes Schaustück kommt aus dem Palazzo Pitti in Florenz: Die Henkelschale mit zierlichem Emailschmuck war ein Tribut der Gasteiner Bergwerksleute an den Erzbischof. Sie hatten ihm jedes Jahr Trinkgeschirr im Wert von 200 Dukaten zu liefern. Die Schale ist das einzige Stück aus dem ehemaligen Domschatz mit Marcus Sitticus’ Wappen. Auffallend, dass gleich drei prunkvolle Messgewänder von ihm erhalten sind – bemerkenswert für einen Kirchenfürsten, über den das Domkapitel bei seiner Wahl ätzte, er habe „nicht gestudirt“ und „zu wenig im Kopfe“. Immerhin, sein gleichnamiger Verwandter und  Bischofskollege in Konstanz war Landsknechtsführer, als man ihn in den geistlichen Stand beförderte. Dagegen war der Salzburger Marcus Sitticus geradezu ein Humanist.

Die Ausstellung ist rund, solange man sich tatsächlich vor allem für Person und Familie des Marcus Sitticus interessiert. Wesentlich relevantere Themen werden nicht oder eher am Rande angesprochen, etwa die politisch/religiöse Großwetterlage im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld des Dreißigjährigen Kriegs. Auch die energisch in Gang gesetzte Gegenreformation: Inwieweit steht die geradezu hysterische Bautätigkeit in Zusammenhang mit dem im jesuitischen Fahrwasser ausbrechenden Schau-Christentum?

Gut möglich, dass das Symposion im Rahmen der Kulturellen Sonderprojekte des Landes am 15. und 16. Juni Themen und Material zutage fördert, die dann für weitere Ausstellungen gut sind.

Erzbischof Marcus Sitticus. Bis 28. Oktober im Salzburger Dommuseum – www.kirchen.net/dommuseum
Bilder: Dommuseum
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