Doch was geworden, der Bub
MUSEUM DER MODERNE MÖNCHSBERG / NEWTON & ARAKI
12/01/12 „Wenn ich Fotos mache, dann nicht für die Schublade. Ich möchte, dass möglichst viele Leute sie sehen. … Ausstellungen in einer schönen, renommierten Galerie sind zwar etwas sehr Schönes, aber genauso aufregend fände ich es, meine Bilder in einer großen, weißen Garage oder in irgendeinem anderen Raum auszustellen, der sich als Hintergrund für Fotos eignet.“
Von Heidemarie Klabacher
Das sagte der legendäre Akt- und Modefotograph Helmut Newton über „Kunst und Kommerz“. Ihm widmet das Museum der Moderne Mönchsber unter dem Titel „nAcKT“ die erste große Werkschau in Österreich.
Nochmals Newton im o-Ton: „Ausstellungen sind etwas ganz anderes als die bedruckte Seite. Man hat es mit ganz anderen Dimensionen zu tun: Originalvergrößerungen, seien sie klein oder groß, wirken ganz anders auf den Betrachter. Und während eine Zeitschrift ein ephemeres Medium ist, ist ein Buch wie ein Haus: Es hat lange Zeit Bestand. Es sind zwei ganz verschiedene Disziplinen.“
Mit dem weiblichen Körper vor dem Hintergrund der jeweiligen Zeit und des jeweiligen Kulturkreises haben sich schon mehrere Ausstellungen im MdM befasst. Wenige Künstler sind dabei so radikal wie Helmut Newton und vor allem wie Nobuyoshi Araki (Jahrgang 1940), dem ebenfalls eine Schau gewidmet ist: „Beide Künstler eint nicht zuletzt die Tatsache, dass ihr ästhetisches und einflussreiches Werk gleichermaßen gefeiert wie auch aufgrund der mitunter lasziven und provokanten Darstellung kontrovers diskutiert wurde“, so die Kuratoren. Arakis Fotografien dürfen in seiner Heimat Japan meist nur zensiert gezeigt werden. Helmut Newton (1920-2004) wurde in den Neunzigerjahren von der Feministin Alice Schwarzer scharf kritisiert.
Und schon Helmut Newtons Vater befürchtete, dass der Sohn einmal in der Gosse enden wird, da er nur Mädchen und Fotos im Kopf hatte. Das ist nicht geschehen. Helmut Newton zählt zu den wichtigsten Mode- und Aktfotografen des 20. Jahrhunderts. Und der Mann hat Humor:
„Ich liebe die Aufenthalte im Château Marmont in Hollywood, wo June und ich seit sechsundzwanzig Jahren den Winter verbringen. Eine vertraute Umgebung fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Meine Lieblingsfotos sind oft diejenigen, die das deutliche Gefühl ‚Hier war ich schon einmal’ wecken. Die Serie ‚Domestic Nudes’ begann damit, dass ich die Räume des Château fotografieren wollte, die ich so gut kenne, aber wer hätte sich Fotos von leeren Zimmern angesehen! Also bezog ich ein paar nackte Frauen mit ein.“
Das sagte der Künstler 1992 zu seine Reihe „Domestic Nudes“, die genau das zeigt, was er schildert: ein mustergültig aufgeräumtes sachlich nüchtern eingerichtetes bürgerliches Heim - eben mit einer nackten schlanken Frau in jedem Zimmer. Ähnlich witzig ist Newtons Schilderung aus 1980 wie es zur Bildreihe „Big Nudes“ gekommen ist:
„Wie kam es zu den ‚Big Nudes’? In einer Zeitung habe ich einmal Fotos von den Büros einer Spezialeinheit der deutschen Polizei gesehen, die für die Fahndung nach Terroristen wie der Baader-Meinhof-Gruppe zuständig war. An den Wänden hingen lebensgroße Fotos der gesuchten Männer und Frauen, ganzfigurige Fotos. Ich schnitt die Bilder aus und hatte sie längere Zeit neben meinem Bett liegen. Eines Tages hatte ich dann die zündende Idee: Ich mache eine Serie von Aktaufnahmen, Frauen in voller Größe, die nicht im Entferntesten wie Models aussehen, wie im Studio, vor durchgehendem weißen Hintergrundpapier, das ich sonst so gut wie nie verwende. Bis 1993 machte ich in Abständen insgesamt einundzwanzig dieser Fotos. Lange Zeit waren die Akte für mich ‚Die Terroristinnen’. Später vergrößerte ich die Negative auf eine Höhe von zweieinhalb Meter. Von da an waren es die ‚Big Nudes’.“
Das MdM Mönchsberg zeigt die Bestände der Dauerleihgabe der Sammlung MAP, 70 Exponate, die umfassenden Einblick in das fotografische Schaffen von Helmut Newton gewähren. Seine Bildsprache hat über Jahre das Modemagazin Vogue geprägt. Gezeigt werden Arbeiten aus vier Jahrzehnten, darunter Werke aus den bekannten Serien der Big Nudes, Domestic Nudes und Cyberwomen bis hin zu frühen Polaroidfotografien, die dem Fotografen als Vorstudien dienten. Erstmals sind diese Werke in Österreich zu sehen. - Leider gibt es keine Bilder zu Helmut Newton, da Frau Newton Pressebilder nicht erlaubt. Zu sehen sind Bilder von Araki.