Wirklich „weder Gloria noch Credo“?

DOMQUARTIER / COLLOREDO (2)

26/01/22 Heute würde man Shitstorm dazu sagen. Als der letzte Salzburger Landesfürst, Hieronymus Graf Colloredo, die Pockenimpfung einführte, schlug ihm genau so Kritik auf breiter Ebene entgegen wie Jahre zuvor, als er mit seinem Hirtenbrief aus dem Jahr 1782 recht vehement eingriff in das, was man damals landauf, landab unter Frömmigkeit verstand.

Von Reinhard Kriechbaum

Vieles wirkt ziemlich aktuell. Auch heute diskutiert man ja auch immer wieder über die Berechtigung kirchlicher Feiertage. Dass die Forderung, diese zu reduzieren, ausgerechnet von oberster kirchlicher Stelle in Salzburg kam, hat damals logischerweise den Volkszorn erregt. Unzählige kleine Wallfahrten und Heiligenfeste sicherten den Menschen immer wieder arbeitsfreie Halbtage und dienten mithin der geistlichen Erbauung und der Erholung gleichermaßen. Solches Gewohnheitsrecht ließ sich das Volk nicht nehmen, ohne zu murren und sich zumindest im passiven Widerstand zu üben.

Dass in Colloredos Arbeitszimmer Porträtbüsten von Voltaire und Rousseau standen, also von Aufklärern und Kirchenkritikern, mag nur gebildeten Besuchern bewusst geworden sein. Der berühmte Hirtenbrief vom Herbst 1782 schlug jedenfalls gehörig Wellen. Kein anderes geistliches Statement eines Salzburger Erzbischof ist jemals ähnlich heftig diskutiert, sogar in italienische und französische Sprache übersetzt worden. Aus ganz Europa blickte man auf das kleine Fürsterzbistum Salzburg, das sich jäh zu einem „Hotspot“ der katholischen (Spät-)Aufklärung entwickelt hatte.

Heute wird meist von einem angeblichen „Krippenverbot“ Colloredos gesprochen (auch in der Ausstellung im DomQuartier, die eben doch nicht mit jedem Vorurteil aufräumt). Ganz so radikal war es nicht. Der geistliche Landesherr wandte sich gegen „unnöthigen Kirchenaufwand“, einen „überflüssigen Flitterstaat“ und gegen „andächtelnde Mummeryen“. Was die Krippen betrifft, waren ihm vor allem die weltlichen „Nebendarsteller“, an denen es in Barockkrippen nicht mangelte, ein Dorn im Auge. Szenen wie Geburt, Beschneidung und Besuch der Dreikönige hat Colloredo explitzit zugelassen. Es waren Kaiser Joseph II. und König Maximilian I. Joseph von Bayern, die in ihren Ländern tatsächlich radikale Krippenverbote aussprachen. Colloredo war kein Feind gelebten Glaubens.

Vieles in seinem Hirtenbrief klingt sehr modern: Nicht Prunkentfaltung, sondern die Unterstützung der Notleidenden sei geboten, argumentiert Colloredo, der sich mit seinem Fürsterzbischof-Job ein wirtschaftlich ziemlich desolates Land eingehandelt hatte. In den Kirchen möge man alles entfernen, „was die Stille der Seele stöhren, die Gedanken zerstreuen, und die hochachtungsvolle Aufmerksamkeit auf göttliche Wahrheiten schwächen“ könne. Das hätte den Konzilsvätern in den 1960er Jahren auch so einfallen können.

Colloredos Erwartung in fast Lutherischem Geiste: Wenn sich das Bibellesen durchsetze, werde „der gemeine Mann auch bald heller denken, und aufgeklärter werden, an Vorurtheilen und Aberglauben nicht mehr so sehr kleben, zum solidem christlichen Unterricht gelehriger und empfänglicher, zur Ausübung christlicher und bürgerlicher Tugenden geneigter seyn“.

Die Förderung von Kirchenliedern in deutscher Sprache (eine Hauptaufgabe unter anderem von Michael Haydn) waren eine logische Folge solcher Überlegungen. Bildung wurde groß geschrieben, das Schulwesen auf neue Beine gestellt und neben der Lehrerausbildung auch jene der Priester entschieden verbessert. Die Hofbibliothek stand ebenso wie das neue Hoftheater allen Untertanen offen. Für all das zeigte das einfachere Volk freilich wenig Verständnis, und so kursierte bald der Spottvers: „Unser Fürst von Colloredo hat weder Gloria noch Credo.“ (Wird fortgesetzt)

Ausstellung „Colloredo. Reformer in neuem Licht“, bis 29.Mai – www.domquartier.at
Bilder: Ausstellungssujet (1);  DBS/Kral (1); Wikimedia/Franz Matzenkopf (1)
Zum ersten Teil Doch kein Geizkragen