asdf
 

Schmutz und Schund … und die Wahrheit

MUSEUM DER MODERNE / JAHRESVORSCHAU 2022

15/12/21 Jede Wette, dass im kommenden Sommer viele Besucher allein wegen des Titels einer Ausstellung den Weg ins Museum der Moderne suchen und finden werden. Schmutz und Schund – und das noch mit dem Versprechen, diesen aus dem eigenen Sammlungsdepot rauszukehren und ans Licht zu zerren...

Von Reinhard Kriechbaum

Der Titel ist natürlich nur der Lockvogel. Es geht um sehr erste Dinge, um Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, in denen sie sich mit menschlichen Abgründen beschäftigt haben. Mord, Totschlag Missbrauch... nach solch schattseitigen Bild-Themen also sucht man in den eigenen Sammlungsbeständen. Einige Namen: Max Beckmann, George Grosz, William Hogarth, Alfred Hrdlicka, Max Klinger, Oskar Kokoschka, Käthe Kollwitz, Alfred Kubin.

Zu solchen Abgründen passt nicht schlecht, wenn der Direktor des Museums der Moderne, Thorsten Sadowsky, über die Wahrhaftigkeit von Kunst sinniert. In der Präsentation des Jahresprogramms 2022 heute Mittwoch (15.12.) hat er beinah en passant etwas Bemerkenswertes dazu geäußert. Die Suche nach visueller Wahrheit sei historisch gesehen, keine Aufgabe von Kunst, meint er. Aber im Moment sieht's für ihn und die Kunst anders aus. „In Zeiten von Fake News und der Gefährdung der Demokratie durch wissenschaftsfeindliches Denken und politische Esoterik kann die Wahrhaftigkeit zur Notwendigkeit werden.“ Also fast ein Auftrag an Kunstschaffende, gegen die latente Narretei ins Feld zu ziehen.

Zu einer solche Suche nach Wahrhaftigkeit kann der Blick über den Tellerrand, also über die Grenzen des Europas hinaus beitragen. Wie schon in den letzten Jahren, so Sadowsky, bemühe man sich im Museum der Moderne, „außereuropäische Stimmen in unser Programm einfließen zu lassen und damit zur Horizonterweiterung beizutragen“. This World Is White No Longer war ja im Vorjahr Titel einer großen Ausstellung im vergangenen Sommer, und Farbe ist auch 2022 gefragt. Im Herbst steht dafür beispielsweise die Schau des aus Kamerun stammenden, in Paris lebenden Samuel Fosso. Sein Thema ist die inszenierte Fotografie, vor allem die Selbstinszenierung – und so sehen wir ihn auf einem Vorschau-Foto schon mal in der Pose von Mao. Chinesischer Neokolonialismus in Afrika, das will Fosso damit andeuten. Nicht so weit weg: die Slowenin Jasmina Cibic, die auf der Folie der Balkanstaaten nach der Most Favoured Nation fragt.

Ein Stück österreichischer Kunst-Zeitgeschichte im Sommer: Das Künstlerinnenkollektiv Die Damen hat zwischen 1988 und 2013 die Mechanismen des Kunstbetriebs in Performances und Fotografie ironisch hinterfragt. Von dieser Gruppe hat die im Museum der Moderne beheimatete Generali Foundation ein Werkkonvolut angekauft, das nun vorgestellt wird. A propos Ankauf – Die Schau Sammlungspolitik soll, ebenfalls im Sommer 2022, konkret anschaulich machen, wie und nach welchen Kriterien ein Haus wie das Museum der Moderne seine Bestände erweitert. Im laufenden Jahr, so plauderte Thorsten Sadowsky aus der Schule, kamen 61 neue Werke dazu, überwiegend Ankäufe, nur zwei davon waren Schenkungen.

Trans-Atlantisches im nächstjährigen Ausstellungsprogramm: Unter dem Motto True Pictures? zeigt man zweitgenössische Fotografie aus den USA und Kanada. Bill Viola, dem, so Sadowsky, „zweifellos bedeutendsten Videokünstler der Gegenwart“, gilt eine Schau. Eine weitere widmet man dem US-amerikanischen Multimediakünstler Cameron Jamie.

Aus Österreich: Von Heimo Zobernig werden grafische Arbeiten präsentiert, und eine Schau ebenfalls im Frühjahr gilt Richard Kriesche, einem Urgestein der Medienkunst. Günther Selichar ist eine Ausstellung gewidmet und die in Salzburg und Paris lebende Fotografin Marion Kalter bekommt eine große Personale.

Ja, Fotos: Wie steht's eigentlich ums Fotografiemuseum? Da hält sich Thorsten Sadowsky derzeit ganz raus, die Entscheidung sei allein eine politische, sagt er. Das Rupertinum, wo derzeit gerade der Erdgeschoßbereich neu gestaltet wird (im Februar soll's fertig sein), will der MdM-Direktor jedenfalls nicht unbedingt als Fotomuseum umgewidmet wissen. Das habe als Haus ja eine eigene Geschichte, sei vom Begründer Otto Breicha ja auch als Grafische Sammlung eingeführt worden. Womit Sadowsky aufhorchen ließ: Das Rupertinum gehört seiner Meinung nach als Ausstellungsgebäude aufgewertet, daher auch der Entree-Umbau jetzt. Das sahen seine Vorgänger durchaus nicht immer so.

Am Publikum haperte es heuer Corona-bedingt: 53.000 Besucherinnen und Besucher, das ist gerade die Hälfte von dem, was man eigentlich erhofft. Die bestbesuchten Ausstellungen im zu Ende gehenden Jahr waren übrigens jene von Yinka Shonibare und David Tudor, mit jeweils über 33.000 Gästen.

www.museumdermoderne.at
Bilder: Still von der PK (1); Museum der Moderne / Samuel Fosso (1); Jasmina Cibic (1); Bildrecht Wien, 2021 (1)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014