Kunst fürs eigene Innere

REPORTAGE / DOMQUARTIER

24/10/17 Als leidenschaftlichem Fotografen hat es Herrn R. das Lightpainting angetan: Ein dunkler Raum, fotografisches Papier und eine Taschenlampe – so kann man auch malen. Und wenn man dann noch ein ziemlich gutes Modell hat, etwa Rembrandts „Betende Alte Frau“ in der Residenzgalerie...

Herr R. ist einer, der sich an der Aktion „Mein Blick, Dein Blick, Unser Blick“ im DomQuartier beteiligt hat. Unter Anleitung der Museumspädagoginnen Monika Fermin und Clara Widerin wurden Menschen mit psychischer Beeinträchtigung an die Kunst herangeführt und auch dazu motiviert, eigenschöpferisch aufs Gesehene zu reagieren.

Herr R. also hat Gefallen am Lightpainting gefunden, einer Technik, die übrigens auch den Kunstvermittlerinnen nicht so geläufig war. Kurzerhand wurde eine Büste der „Betenden Alten Frau“ (nach dem Rembrandt-Porträt, das möglicherweise seine Mutter darstellt) zum Modell umfunktioniert und Herr R. konnte damit experimentieren.

Herr J. ist von den Bildern des amerikanischen Künstlers Jackson Pollock sehr beeindruckt. Sein größter Wunsch war es, die Technik des Dripping Paintings selber einmal auszuprobieren. Bei dieser speziellen Vorgehensweise der Malerei tropft Farbe zum Beispiel aus einer Konservendose, in deren Boden sich ein kleines Loch befindet und die mit einer Schnur an der Decke befestigt ist, direkt auf den Maluntergrund. Eine weitere Möglichkeit besteht darin die Farbe mit einem großen Pinsel auf die Malfläche zu spritzen oder zu tropfen. Herr J. hat auf diese Weise ein ehemaliges Plakat des Dommuseums, das eine Stadtansicht Salzburgs nach einem Gemälde von Georg Pezolt zeigt, im Stil von Pollock mit unzähligen Farbspuren überzogen.

Im Frühjahr 2017 lud das DomQuartier Salzburg Angehörige des Vereins Laube, des Sozialzentrums Harmogana, des Vereins Südhof und des Kommunikationszentrums Oase ein, das Museum mit seinen Räumlichkeiten und kostbaren Objekten kennenzulernen. Es gibt unterdessen in vielen Museen Angebote für körperlich Beeinträchtigte, etwa für Blinde, Gehörlose oder Demenzkranke. Für psychisch Erkrankte ist so etwas nicht nur in Salzburg Neuland.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich über mehrere Wochen hinweg einmal wöchentlich. „In den Gesprächen zeigte sich schnell, wie unterschiedlich und vielfältig die Wahrnehmungen, Blickwinkel und Sichtweisen der Menschen sind“, so die Kunstvermittlerin Monika Fermin. „Deshalb beschäftigten sich die Teilnehmenden, ganz den eigenen Interessen, Wünschen und Bedürfnissen entsprechend, mit völlig unterschiedlichen Werken, Objekten bzw. Thematiken im DomQuartier.“ Entsprechend vielfältig sind auch die eigenen künstlerischen Arbeiten ausgefallen, die jetzt einen Monat lang im Terrassensalon der Residenzgalerie zu sehen sind.

Nicht ums Erlernen von bestimmten künstlerischen Techniken ging es, sondern um die je eigenen Interessen und Befindlichkeiten. Das didaktische Ziel: „Das Museum sollte als kreativer, lebendiger, bereichernder Ort des Wissens, der Kunst der Kultur, aber auch als Ort der wertschätzenden Begegnung, der Kommunikation, und des Austauschs erlebbar werden.“

Einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer fühlten sich offenbar besonders animiert, kamen nicht nur zu den gemeinsamen Workshop-Terminen, sondern baten auch, im Kunstlabor des Museums weiter kreativ sein zu dürfen. „Manche arbeiteten sehr schnell, mit expressiven, großzügigen Gesten, andere wiederum widmeten sich ihrer Arbeit mit größter Akribie und nahmen sich viel Zeit für die Umsetzung ihrer Ideen und Vorstellung“, beschreiben die Kunstvermittlerinnen ihre Eindrücke. Die einen malten mit selbstangerührter Eitempera, andere mit Öl-oder Acrylfarbe. „Gerade die Vielfalt, die unterschiedliche Art die Dinge zu erleben und zu sehen, haben diesem Projekt eine ganz besondere Qualität verliehen“, versichern Monika Fermin und Clara Widerin.

Es wurde modelliert, gezeichnet, Speckstein behauen, fotografiert, mit Gips gegossen und gezeichnet. Herr D. zieht Bilanz: „Ich kam mit der Hoffnung, dass ich meinen Horizont erweitern kann, mit der Fotografie und der Kunst. Ich wurde belohnt. Zuerst mit der Kunstgeschichte und dann mit Rat und Tat bei der Fotografie.“

Mein Blick, Dein Blick, Unser Blick. Bis 20. November im Terrassensalon der Residenzgalerie/DomQuartier. Barrierefreie Angebote im DomQuartier: www.domquartier.at
Bilder: DomQuartier/Residenzgalerie