asdf
 

Es ist auch ohne Politik schon schwer genug

KUNSTVEREIN / MIRCEA CANTOR

05/10/11 Nur drei Arbeiten zeigt der rumänische Künstler Mircea Cantor im Kunstverein. Mehr als genug, denn sie erfüllen den Großen Saal mit einer Atmosphäre von Dichte und Intensität. Obwohl - oder gerade weil - sie nur aus weißem Licht zu bestehen scheinen.

Von Heidemarie Klabacher

altDie linke Stirnwand ist angefüllt mit einer einzigen Videoprojektion: Sieben junge Frauen in weißen Kleidern schreiten über feinen weißen Sand - mit bloßen Füßen Spuren hinterlassend und mit einen gewöhnlichen Strohbesen die Spuren ihrer jeweiligen „Vorgängerin“ verwischend. Eine ebenso schlichte wie formal faszinierend strenge Choreographie entwickelt sich. „Tracking Happiness“ heißt die Arbeit.

Kehren (oder vor allem rechen) von Sand erinnert natürlich an ein strenges Meditationsritual im Zen-Buddhismus (und an das Musikstück „Ryoanji“ von John Cage, das von solch präzisen Spuren im Sand eines Japanischen Gartens erzählt). Das ist vom Künstler aber nicht intendiert. Auch nicht der Gedanke des „Auslöschens“ einer politischen Vergangenheit.

Er sei kein „politischer“ Künstler, betonte Mircea Cantor. Er sei einfach ein Künstler, „und das ist oft schwer genug zu tragen“. Eher meine er mit „tracking“ die Spuren, die der moderne Mensch bei jedem Gebrauch einer Kreditkarte oder des Internets hinterlässt. Aber auch die Lebensspuren, die jeder Mensch legt, bzw. denen er bewusst oder unbewusst folgt.

altDer 1977 in Klausenburg in Rumänien geborene Künstler Mircea Cantor hat seine Arbeit „Tracking Happiness“ (ursprünglich ein 16mm Film) mit Musik unterlegt. Nicht mit John Cage, sondern mit einer sphärisch schwebenden Komposition seines Landsmannes Adrian Gagiu, die ganz wesentlich zur raumgreifenden Wirkung beiträgt.

Entstanden ist „Tracking Happines“ bereits 2009, erstmals gezeigt wurde die Arbeit im Kunsthaus Zürich. Inzwischen habe er dafür bei einem internationalen Kurzfilmfestival den Preis für den besten Tanzfilm bekommen, obwohl der den Streifen gar nicht in dieser Kategorie eingereicht hatte, erzählte Mircea Cantor heute Mittwoch (5.10.) am Rande der Pressepräsentation. Die zweite Arbeit des „unpolitischen“ Künstlers im Kunstverein - "Phishing" - ist jedenfalls politik-, gesellschafts- und wirtschaftskritisch. Zu sehen sind chinesische Schriftzeichen in feinen kleinen Neonröhren (vielleicht 25 Zentimeter hoch), die an einer Angel zu hängen scheinen. Übersetzt bedeuten sie „Phishing for other people’s money, gods, time, love, life“.

alt„Phishing“ meint Daten-Diebstahl und -Missbrauch im Internet durch gefälschte web- oder e-Mail-Adressen. „Datendiebstahl übertragen auf Grundsätzliches“ sei der Bedeutungshintergrund: etwa Geschäftemacherei mit Religionen in der Esoterik oder, ganz konkret, etwa der Landraub in Afrika. Chinesische Zeichen habe er gewählt, um die Wirtschaftsmacht China zu zitieren; die stilisierte Angel, weil „Fischen in der chinesischen Kunst ein wichtiges Thema ist“.

Die dritte Arbeit sind zwei nur zwanzig mal dreißig Zentimeter große Fotographien - ein Dyptichon, dessen Bilder den Blick aus einem rückwärtigen Zugfenster bei der Einfahrt und bei der Ausfahrt aus einem Tunnel zeigen. Eine raffinierte Spielerei ebenfalls mit dem Licht, die beinahe wirkt, wie Negativ und Positiv nebeneinander.

Im „Kabinett“ im Kunstverein zeigt Anna Witt die Videoarbeit „The Eyewitness“, auf der Kinder zwischen sieben und zehn Jahren Bilder aus den Nachrichten kommentieren. Dass Bilder keineswegs objektive Informationsträger seien, und auch der Blick von Erwachsenen nicht unbedingt weniger fragmentarisch sein müsse, als der von Kindern, umreißt den Hintergrund.

In der Ringgalerie ist der Kunstvereinsleiterin Hemma Schmutz wieder ein Wurf gelungen: mit der Einladung an Constantin Luser, Wände und Decken zu gestalten. Haarfeine und doch raumgreifende Zeichnungen von Landschaften, Gebäuden oder anatomischen Details hat der Wiener Künstler im Gang wuchern lassen.

Bis 27. November im Salzburger Künstlerhaus -www.salzburger-kunstverein.at
Bilder: Salzburger Kunstverein/Andrew Phelps (1)

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014