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Jeder ist eine Insel

MACHT.SCHULE.THEATER / RESSENTIMENTAL JOURNEY / SCHAUSPIELHAUS

21/04/10 „Panama ist das Land unserer Träume. Dort ist alles ganz anders und viel größer!“ Kleiner Bär und kleiner Tiger wussten das auch schon. Aber sie mussten in ihrem Panama auch nicht mit Eingeborenen, Schiffbrüchigen oder lästigen Touristen um den Platz streiten.

Von Heidemarie Klabacher

altEin Mensch wird ans Ufer gespült. Ein Schiffbrüchiger? Ein Flüchtling von einem überfüllten schwimmenden Wrack? Odysseus, der im Schlaf das Land der Phäaken erreicht? Eher nicht. Die schwatzhafte junge Dame am Strand stellt sich als Kalypso vor. Sie hat aber weder was von der betörenden Nymphe, noch ähnelt sie der zurückhaltenden hilfsbereiten Nausikaa: Es ist einfach eine doofe Touristin vom nächsten Ferienclub, die mit dem Fremden gerne schwatzt und schäkert - solange er ihr nicht mit Problemen zu nahe tritt. Dann heißt es schnell: „Tschüüs…“

Dann kommt einer vorbei, der - um sich selbst zu finden - die Welt umsegeln muss. Was ihn ärgert: Hätte er einen andern Namen, wäre der ganze Aufwand nicht nötig. Drei Schwestern kreuzen seinen Weg: Sie suchen mit der ganzen Sehnsucht ihres Herzens Moskau. Was sich im Pazifik - wo man sich gefühlsmäßig befindet - auch nicht so leicht finden lässt.

Ja, und den Prinzen, der vor der arrangierten Ehe mit der blöden Prinzessin flüchtet, und die Prinzessin, die vor der arrangierten Ehe mit dem steifen Prinzen davonläuft, die kommen einem auch bekannt vor…

„Ressentimental Journey“: Das Stück verbindet literarische Motive und Anspielungen mit Problemen von heute. Und das mit leichter Hand und mit spürbarer Berührtheit von den Schicksalen all der irrenden Liebenden und Suchenden aus der Weltliteratur. Aber auch mit wachem Blick für die Schicksale der aus weniger romantischen Gründen hilflos durch Meer und Zeit getriebenen Menschen von Heute.

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Die Aufführung ist eine Gemeinschaftsproduktion von Schauspielhaus, einigen Schulen (Musisches Gymnasium/BHAK1/BHAS1) und dem Clearing House, das sich um jugendliche Flüchtlinge kümmert.

Dass ausgerechnet die vier Flüchtlinge aus Afganistan, Somalia und Syrien die Flüchtlinge, die Fremden, die Exoten spielen, irritiert nur auf den ersten Blick. Der Verfremdungseffekt wäre anders wohl stärker gewesen. Aber der authentische Tonfall der vier jungen Burschen, ihr echtes und nicht gemachtes Anderssein verleihen dem Stück einen ganz besonderen Klang, einen starken Sog.

altProjektleitern Petra Schönwald und die Regisseurinnen Bernadette Heidegger und Marion Hackl haben die jungen Leuten von allen Kontinenten hervorragend geführt, sie in fremde Rollen schlüpfen und doch ganz authentische Jugendliche sein lassen.

Der Bogen quasi vom Urlaubsparadies, vom Land der Träume, zum umkämpften Lebensraum mit beschränkten Ressourcen ist überzeugend gespannt: mit erzählerischer Kraft im gemeinsam von den Jugendlichen entwickelten Text, in der darstellerischen Energie und kunstvollen Natürlichkeit der jungen Leute - und mit jenem dramaturgischen Gespür, das es braucht, um die Geschichte auf der Bühne auch in den Köpfen der Zuschauer lebendig und wirksam werden zu lassen.

Überzeugend auch das schlichte Eiland von Bühnenbildner Johannes Stockinger und die ebenso romantischen wie zeitlosen Kostüme von Marion Hackl. - Qualitätvoller kann kann Theater mit Jugendlichen für Jugendliche nicht gemacht werden.

Weitere Aufführungen: 22. April 10 Uhr und 19.30 Uhr, 23. April 10 Uhr.
Macht|schule|theater ist im Schuljahr 2009/2010 nicht nur in den Rahmen der Initiative „Weiße Feder – Gemeinsam gegen Gewalt“ eingebunden, sondern knüpft außerdem mit Dialogveranstaltungen am 23. April 2010 an die „Aktionstage Politische Bildung“ an.“ Die bundesweite Theaterinitiative wird vom Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gemeinsam mit KulturKontakt Austria und dem DSCHUNGEL Wien durchführt. Ziel ist die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema Gewalt und Gewaltprävention sowohl von Seiten der an den Produktionen beteiligten Schülerinnen und Schüler als auch von Seiten des jugendlichen Publikums. Im Schuljahr 2009/2010 liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Alltagsrassismus.
Das Projekt findet statt im Rahmen des DIALOGs ZU DEN AKTIONSTAGEN POLITISCHE BILDUNG 2010: Die Aktionstage stehen im Jahr 2010 im Zeichen des Europäischen Jahrs gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Ein Podiumsgespräch findet  im Anschluss an die Vorstellung am Freitag (23.4.) statt.
Bilder: Schauspielhaus / Eva Maria Griese

 

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