Schnapsglas statt Stundenglas

LANDESTHEATER / WWW.BRANDNERKASPER.AT

30/01/15 Mit „www.brandnerkasper.at“ präsentiert das Salzburger Landestheater einen Volksklassiker in modernem Gewand. Regisseur Volkmar Kamm hat die Geschichte vom Schlitzohr, das dem Tod ein Schnippchen schlägt, neu für die Bühne bearbeitet. Johannes Pillinger zeichnet für die musikalische Untermalung verantwortlich.

Von Christoph Pichler

In Kamms Fassung ist der Brandner Kasper (Fritz Egger) nämlich ein Liedermacher, der auch gleich mit einem gesungenen Prolog loslegt. Der Spaß hat aber schnell ein Ende, fällt der Nebenerwerbslandwirt doch fast einem Jagdunfall zum Opfer. Dass ihn weder Schuss noch Hirsch tödlich getroffen haben, muss dem „Boandlkramer“ (Britta Bayer) allerdings entgangen sein, steht dieser doch plötzlich in der Bauernstube, um ihn ins Jenseits zu begleiten. Überrascht, erstmals einen wehrhaften Lebenden vorzufinden, lässt sich der Tod vom vermeintlichen Opfer so mit Kirschgeist einwassern, dass er ihm nach einem verlorenen Kartenspiel zwanzig weitere Lebensjahre gewährt.

Die ergaunerte Extrazeit macht aber weder den Sensenmann, noch den von der Schippe Gesprungenen glücklich. Zwar nützt der Brandner Kasper die verlängerte Spielzeit dazu, sich einen Namen als unerschrockener Lebensretter zu machen und seinen Erbhof in eine Jausenstation umzumodeln, doch der Laden brummt nur bei der Eröffnungsfeier, seine arroganten Söhne landen alsbald im Gefängnis und dann stirbt auch noch die schwangere Schwiegertochter in spe im Kindbett (Sofie Gross).

Und der Boandlkramer? Der hat seine liebe Mühe damit, den ungebührlichen Gnadenakt vor seinen Vorgesetzten geheim zu halten - und bald ist der ganze Himmel in großem Aufruhr.

Die Geschichte vom Brandner Kasper ist ein Klassiker der bayerischen Volkskultur, der sich auch in Österreich großer Beliebtheit erfreut. Volkmar Kamm hat ihn direkt ins hiesige Grenzgebiet verlegt, was neben Sticheleien gegen den jeweiligen Nachbarn auch die amüsanten Auftritte eines Landeshauptmanns (Walter Sachers) und eines Ministerpräsidenten (Axel Meinhart) ermöglicht. Beide ähneln frappierend aktuellen Amtsträgern.

Die wilden Söhne sind nun nicht mehr nur Wilderer, sondern auch Schlepper, was dem Brandner Kasper sogar kurzfristig eine dunkelhäutige Bedienung beschert. So gut sind allerdings nicht alle Aktualisierungen gelungen und manch böser Seitenhieb erweist sich als veritabler Luftschlag.

Als erfahrener Volkskomödiant ist Fritz Egger eigentlich eine Idealbesetzung für den schlitzohrigen Hallodri, doch stiehlt ihm Britta Bayer als hexenähnlicher „Boandlkramer“ im Dauerrausch (Kostüme Uschi Haug) regelmäßig die Show. Glücklicherweise hat ihre Rolle bei Kamm eine echte Aufwertung erfahren. Der Boandlkramer geistert ständig auf der Suche nach Kirschgeist durch die Szen und darf sogar zwei der zahlreichen musikalischen Zwischenspiele übernehmen - denen es bei aller Verspieltheit oftmals an der nötigen Schärfe fehlt.

So richtig Fahrt gewinnt das Stück erst nach der Pause, wenn sich die Handlung zunehmend in den herrlich gestalteten Himmel verlegt (Bühne Konrad Kulke). Hier tummeln sich neben schrägen - mit dem Kirchenrecht hadernden - Bürokraten, auch echte Härtefälle, wie der mit schmerzhafter Verve Hymnen schmetternde Engel Aloisius (Franz Supper). Überhaupt sind viele der Nebencharaktere schön schräg gezeichnet und sorgen mit überraschenden Kurzauftritten für einige der besten Gags. 

Auch wenn der zeitgenössische Anstrich dem Stück nicht immer bestens steht und die Couplets manchmal ohne treffende Pointe versanden, lässt „www.brandnerkasper.at“ über zwei Stunden Spielzeit kaum Langeweile aufkommen. Das liegt vor allem an Britta Bayer, die ihre Rolle als Boandlkramer mit spürbarem Spaß zelebriert, und natürlich auch an dem vor ihr ausgelösten himmlischen Chaos. So bleibt ein heiterer Schwank mit vielen kleinen, sympathischen Ideen, aber ohne die zum Stück gehörige Portion derben Charmes.

Weitere Aufführungen bis 20. Mai - www.salzburger-landestheater.at
Bilder: LT/Anna-Maria Löffelberger