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Stell dir vor, du wirst plötzlich still

ARGE / THEATER MAZAB / KRIEG. STELL DIR VOR, ER WÄRE HIER

21/01/15 Als der Schreiber dieser Zeilen mit dem Publikum in das Studio der ARGE geschoben wurde, hörte er neben sich von einem der vielen jugendlichen Zuschauer die Worte: „Bloß ned in die erste Reihe, da können wir ned reden.“ Der Kleidung und der Sprache nach zu urteilen entstammte der jugendliche Teil des Publikums großteils wohlsituierten Familien.

Von Dietmar Rudolf

Gespielt wurde die Ein-Personen-Adaption von Janne Tellers Jugendbuch „Krieg. Stell dir vor, er wäre hier.“ Ein Thema unendlich weit weg von der Lebensrealität solcher mitteleuropäischer Bürgerkinder.

Als die Bühnen hell wurde und Elisabeth Nelhiebel die ersten harten Sätze über Bomben, Tod und Flucht mit betont lässiger Körperhaltung und fast zynischem Unterton sprach und dabei immer wieder lange ihr Publikum fixierte, kicherten noch einige Mädchen, die sich unvorsichtigerweise doch in die erste Reihe gesetzt hatten. Aber nach wenigen Minuten war es völlig still und die Schauspielerin „hatte“ ihr Publikum.

Es ist eine einfache Geschichte: Es geht um Krieg, erzwungene Flucht und Neuanfang als Asylant in der Fremde. Und es ist ein genial einfacher Trick, mit dem die Zuschauer in eine veränderte Perspektive gezwungen werden: Der Krieg ist in Österreich, das Asylland heißt Ägypten.

Und einfach sind auch die theatralischen Mittel: ein Tisch, ein Sessel, eine Reisetasche, darin ein CD-Player mit der Musik von „Ton, Steine, Scherben“, eine Wäscheleine zum Aufhängen von Fotos und Erinnerungen, ein Absperrband, eine Art Flipchart, nicht einmal ein zweiter Schauspieler.

Nelhiebel und ihr Regieteam (Markus Steinwender, Leonie Reese, Peter Malzer vom Theater „mazab“) brauchten nicht mehr, um das einstündige Stück zu gestalten.

Manchmal genügt eben schon das unerbittliche Klacken eines Eding-Stiftes auf der Wand, um die zahllosen Wochen des Wartens auf den Asylbescheid körperlich spürbar zu machen. Oder ein immer fragmentarischer klingender Donauwalzer, um den Verlust der Herkunftskultur darzustellen.

Dass der Premierenabend am Dienstag (20.1.) in der ARGEkulturein Erfolg wurde, lag nur zum Teil am Text von Janne Teller. Oft und auch zu recht wurde der Autorin des äußerst umstrittenen Jugendromans „Nichts – was im Leben wirklich wichtig ist“ vorgeworfen, sie arbeite zu holzschnittartig und undifferenziert. Ein Erich Fried des Theaters ist die dänische Autorin wirklich nicht.

Dass die Hauptfigur, deren Ich konsequent durch die „Du-Sprechhaltung“ („Du findest Arbeit…“) ins Publikum projiziert wird, nach mehr als zehn Jahren, integriert und beruflich „ge-settle-t“ immer noch jeden Tag um die „Heimat trauert“, klingt wie eine billige Wiederholung alter „Griechischer Wein“-Klischees. Und dass die schwangere Schwester des Protagonisten, zurückgeschickt in die alte - jetzt totalitär regierte - Heimat Österreich von der Fast-Muslimin zur Punkerin mutiert, ist mehr als unwahrscheinlich. Oft ist es sogar weniger der Plot, sondern die mitunter eine Spur zu banale Sprache, die irritiert.

Das Verdienst, aus diesem politisch hoch ambitionierten, aber ästhetisch nicht immer gelungenen Text theatralisch und ethisch Funken zu schlagen, gebührt der hochkonzentrierten Darstellerin und ihrem Team.

Zu kichern oder quatschen gab es jedenfalls nicht mehr viel – und das ganz ohne 3D-Effekte.

Krieg. Stell dir vor, er wäre hier – weitere Aufführungen in der ARGEkultur - Mittwoch (21.1.) 19.30 Uhr und Donnerstag (22.1.) 9, 11 und 19.30 Uhr - www.argekultur.at
Bilder: ARGE/Mazab

 

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