Das ganz banale Böse

ARGEkultur / KABARETT / SEBERG

21/05/14 Mayer also. Unauffällig. Einer, wie viele. Eigenschaftslos, der Mann von nebenan eben. Unbeachtet, unwichtig. Mayer eben. Gregor Seberg schlüpft in seinem neuen Kabarettprogramm „Hast Angst, Mayer?“ hinein in diesen Mayer und offenbart erbarmungslos die Abgründe der österreichischen Seele. Die Salzburg-Premiere fand am Samstag (18.5.) in der ARGEkultur großen Beifall.

Von Christiane Keckeis

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Mayer mit dem Gartenzwerg hinterm Gartenzaun. Die Frau ist halt leider gegangen, deshalb lebt er im VW-Bus. Aber das ist ja eh wurscht. Er hat alles im Griff, der Mayer. Alles. Und ansonsten „schaun die da oben schon auf uns“. Der Mayer, der ist ein Beobachter. Aus Obsession. Kontrollzwang. Aber es geht ihm gut, dem Mayer. Es geht ihm gut, ganz ausgeglichen ist er. Und er denkt viel. Weil „beim Denken kommt man auf was drauf“.

Den Job hat er verloren, dabei war er ganz wichtig, der Mayer. Zuerst am Schadifka-, dann am Matzleinsdorferplatz. Beim Beobachten der Videoüberwachung. Ganz große Bühne. Bis er mit seiner Gesinnung herausrückte, der Mayer. Da war’s dann vorbei mit dem göttlichen Überblick – aber das ist ja eh wurscht.

Seberg kreiert eine Figur, die ein wenig Gruseln auslöst, aber auch nicht so wirklich ernst zu nehmen ist. Das ist auch die Crux der Vorstellung: Irgendwie soll das böse sein, irgendwie ist es das aber nicht. Das Böse versteckt sich unter der Dummheit, dem Ungeschick. Wird es damit kaltgestellt? Oder gärt es dort, bis es explodiert?

Mit einer Bombe fängt alles an: Mayer stellt sie, fast clownesk, in die Mitte der Bühne, ein rotschwarzes Ding, gezündet, die Wunderkerze symbolisiert die Brennschnur. Mayer verschwindet eilig. Und es passiert: Nichts.

Die Zündung verpufft. Das Publikum wird nicht in die Luft gesprengt. Mayer, der Bombenbauer, ist leider technisch etwas unbegabt. So geht es dahin, am Abend: Iimmer wieder steht der Ausbruch des Bösen im Raum – aber er verpufft, findet nicht statt, ist ja eh alles wurscht.

Da ist Konsequenz drin, aber für den Spannungsaufbau wenig Förderliches. Irgendwann glaubt man nicht mehr an das Böse im Mayer – und als er am Schluss dann doch noch die Bombe platzen lässt, ist selbst das nicht mehr ernstzunehmen. Nicht wirklich gut inszeniert, eine zündende Idee dramaturgisch schwach umgesetzt, nicht scharf genug. Der Schrecken bleibt aus.

Dabei lässt der Schauspieler Seberg den Mayer in all seinen Facetten funkeln: sein unverrückbares Weltbild, in dem immer die anderen Schuld haben, seine konsequente Negation des eigenen Scheiterns, seine Angst vor der Welt draußen, eine Angst, die in permanenter Kontrolle Sicherheit sucht, sein Gifteln gegen alles, gegen das Herr und Frau Österreicher gern gifteln, seine nivellierte Aggression, seine Beschränktheit der Wahrnehmung im Gegensatz zu seiner Annahme, er wisse alles, seine paranoiden Vorstellungen von Mensch und Welt…

Das wäre schon eine psychisch explosive Mischung. Und die Themen haben es auch in sich: Seitenhiebe auf die Politik, die Kirche, die Banken, die Ideologie der Masse, die Medien, die Ahnunglosigkeit der Bevölkerung. Da ist Seberg schonungslos, bringt es scheinbar witzelnd auf den Punkt, das Lachen mag gelegentlich auch im Hals stecken bleiben.

Und er führt es vor, ungeniert, am Beispiel Publikum: Da weiß, trotz intensiver Suche, wirklich niemand, wie Strom entsteht? Peinlichkeit macht sich breit. Überhaupt: Im Kontakt mit dem Publikum ist Seberg alias Mayer unschlagbar. Frech, provozierend, herausfordernd, konfrontativ und sehr spontan. Da möchte man nicht unbedingt in sein Blickfeld geraten, herausgepickt werden, narzisstische Kränkungen sind nicht ausgeschlossen. Dennoch wird ihm nichts übelgenommen. Ist doch alles harmlos. Eigentlich böse.

Da, wo Seberg improvisiert - tabulos, aggressiv, ohne Blatt vor dem Mund, wo er zumutet - da wird es wirklich spannend. Der Mayer machts möglich, unvorstellbar schamlos, unverfroren lästert er, prangert an, legt den Finger auf die Wunden, ohne ein Pflaster parat zu haben. Und dann wird’s so richtig böse!

Bild: ARGE/Jan Frankl