Große Kunst mit kleinen Mitteln
TODESFALL / CHRISTIAN WALLNER
09/03/10 Zu vielem, was sich heutzutage Kabarett nennt, wahrte er aus gutem Grund Distanz. Christian Wallner, der vor 28 Jahren die "MotzArt-Woche" (und damit das älteste Kabarettfestival Österreichs) begründete, ist nach langer Krankheit einem Krebsleiden erlegen.
Knapp vor Weihnachten, bei der Programmpräsentation der MotzArt-Woche 2010, hatte Christian Wallner - schwer gezeichnet von seinem Krebsleiden - noch einmal über den Anspruch eines Kabaretts gesprochen, wie er es verstand: Er habe einen Kabarett-Begriff, der auf literarische, kulturell anspruchsvolle Traditionen zurückgreift. "Es geht dabei nicht darum, Tucholsky zu imitieren oder sonst wie historisierend zu sein", sagte er damals. Er schätze satirische Doppelbödigkeit oder auch leisere Töne, die sich erst bei genauerem Hinhören erschließen."
2007, zum 25-Jahre-Jubiläum, hat Christian Wallner im DrehPunktKultur-Interview sehr klar Stellung genommen gegen die - wie er es formulierte – "Comedy Pest". Bei manchen Comedians ortete er "mangelnde Eleganz, besonders auf der sprachlichen Ebene". Die Kabarettprogramme seien durchwegs schneller geworden. "Das ist wie beim Film mit der amerikanischen Schnitt-Technik, mit der sogar ein österreichischer Film eine Art Drive bekommt. Das Kabarett ist durch das Tempo flapsiger geworden."
Christian Wallner war nie flapsig. Er war ein Wort-Drechsler par excellence. Viel pointierter noch als in seinen Print-Kolumnen feilte er in den Bühnenprogrammen an den Pointen, setzte er aufs Sprachspielerische, auf Doppeldeutigkeiten. Da hatte Sprache immer etwas Entlarvendes. Nicht, dass er ausschließlich dem politischen Kabarett huldigte: " Haltung kann man auch anders zeigen, als dadurch, Politiker zu zitieren."
Aber Haltung jedenfalls. An der hat es Christian Wallner nie gefehlt. Ebensowenig an Zutrauen zum Publikum: "Durch Kontinuität kommt auch Geschmacksbildung", betonte er. "Es ist wie im Theater - man muss viele Dinge gesehen haben." Und genau deshalb wollte Wallner stets auch eine sehr klare Trennlinie gezogen wissen zwischen den seichten Gags mancher "Comedians" und den dramaturgisch genauer durchgezeichneten und inhaltlich anspruchsvolleren Programmen ernsthafter Kabarettisten. Für ihn war Kabarett "große Kunst mit kleinen Mitteln".
Christian Wallner wurde 1948 in Gmunden geboren. Mit Buchstaben hatte sein Leben stets zu tun, nachdem er in Salzburg Geschichte und Publizistik studiert hatte und hier geblieben war. Journalistisch und schriftstellerisch war er tätig, er war unter anderem Dramaturg am Salzburger Landestheater. Regionale Kabarettgeschichte schrieb er eben mit "MotzArt". So hieß zuerst eine Kabarett-Gruppe, und der Name ging dann über auf die Motz-Art Woche (ab 1983).
Er hat nicht nur genörgelt an der jüngeren Entwicklung des Genres Kabarett. Auffallend sei derzeit, so Wallner vor drei Jahren im Interview, eine Renaissance des "dezidiert politischen Kabaretts", besonders in Deutschland. Das Kabarett sei durch das Fernsehen heute ungleich präsenter als vor 25 Jahren.
Das Faszinosum jedenfalls, so stellte er zufrieden fest, sei nach wie vor vorhanden: "Das Genre 'Kleinkunst' ist extrem populär und wird unglaublich nachgefragt." Worin er freilich auch die Gefahr sah, dass nicht wenige Kabarettisten ihre Tourneen längst "generalstabsmäßig nach wirtschaftlichen Kriterien" planten und letztlich "zu Unterhaltungsindustriellen werden".
Die Abgrenzung zur "Comedy" und eine "prinzipiell kritische Haltung mit artistischem Anspruch" waren für Christian Wallner jedenfalls stets die Messlatte, wenn er die MotzArt-Woche plante. Und das machte er bis zuletzt ehrenamtlich, einfach deshalb, weil ihm die Sache ein Herzensbedürfnis war: "Wir haben immer so gearbeitet - aus Freude an der Sache." (dpk/klaba,krie)