Die Dicken sind immer fröhlich!

ODEION / FETTES SCHWEIN

24/05/13 Die beste Eigenschaft der Dicken ist deren Fröhlichkeit. Oder? Das Russische Nationaltheater Lessja Ukrainka aus Kiew gastiert mit Neil LaButes Tragikomödie „Fettes Schwein“ im Odeion. Schönheitswahn führt von einer scheinbar harmlosen Reduzierung auf das Aussehen zu einer gefährlichen Diskriminierung und neuen „Rassentrennung“.

Von Oliwia Blender

432Es geht in „Fettes Schwein“ nicht nur um Vorurteile Übergewichtigen gegenüber. Es geht um Angst: Angst vor dem Anderssein, Angst gegen den Strom zu schwimmen und Angst vor der Liebe. Aber ein Theaterstück auf Russisch mit Übertitelung kann ein Publikum abschrecken – was bei der Premiere am Donnerstag (23.5.) an der kleinen Zuschauermenge sichtbar wurde.

Schade, dass so viele so viel Respekt vor einer fremden Sprache haben.

Daraus ergibt sich auch gleich noch ein weiterer Gedanke: Welche Vorstellungen (und Vorurteile) hat man von einem „russisches Stück“? Die Birkenbäume und das Landleben, die Mafia oder gar ein Samowar auf der Bühne, blieben aus. Was wohl auch daran liegen mag, dass der amerikanische Autor ein universelles Problem behandelt, das seit der Uraufführung des Stücks 2004 nicht an Aktualität verloren hat. Es handelt zwar irgendwo in Amerika, aber weder die englischen Namen, noch der Standort spielen eine ausschlaggebende Rolle - vielmehr die Darstellung von einer wertenden Segregation.

Der herrschende Jugend- und Schönheitswahn führt von einer scheinbar harmlosen Reduzierung auf das Aussehen, zu einer gefährlichen Diskriminierung und neuen „Rassentrennung“.

Tom der Hauptprotagonist bezeichnet sich als schwach: „Ich benehme mich wie die Mehrheit der Menschen und verachte mich dafür.“ Dabei könnte alles so schön sein: Zufällig trifft er auf Helen, eine sympathische und emphatische Bibliothekarin, sie teilen dieselben Interessen und lachen über dieselben Dinge. Folglich verlieben sie sich ineinander. Leider passt Helen nicht ins Toms Umfeld. Dieses besteht aus jungen, dynamischen Menschen, die nur eine oberflächliche Beziehung miteinander pflegen. Das gemeinsame Arbeiten, Sport treiben, Essen gehen und Spaß haben ist auch schon alles.

Wie zwei Kinder auf dem Spielplatz hüpfen Tom und Carter herum, spielen Basketball und reden über Frauen. Bis Tom nicht mehr über die gleichen Witze lacht, dessen Gefühle einer fremden Frau gegenüber nimmt Carter als Bedrohung wahr. Was, wenn dieser dann keine Zeit mehr für ihn hat? Auch Jenny, seine Ex-Freundin fühlt sich angegriffen, denn mit wem soll sie jetzt ihre Zukunft planen, welchen Trostpreis muss sie akzeptieren? Die Angst vor dem Alleinsein kompensieren sie mit menschenverachtenden Mobbing Helen und Tom gegenüber. „Wir sind wir, die soll sich einen ihresgleichen suchen“, sagt Carter und appelliert an Toms Vernunft, sein Leben und seinen Status nicht für eine „Perversion“ aufzugeben.

Obwohl das Stück durch die überspitzte Darstellung (vor allem Carter eignet sich dazu hervorragend) der Charaktere an US-Comedyserien erinnert, fällt es schwer zu lachen. Die Inszenierung ist voll mit dynamischen Elementen. Tanz, Fahrstuhlmusik und Basketballkorb im Büroraum erleichtern die Übergänge zwischen den Schauplätzen und Szenen.

Helens Gedankenwelt dagegen wird schwermütig in Form von Gitarrenmusik und Gesang nach außen getragen, der Versuch einer romantischen Komödie scheitert bewusst. Man möchte auch nicht länger zusehen. Es erscheint hoffnungslos, denn man kennt das Ende bereits. Spätestens als die anfangs so authentisch erscheinende Helen sich für die Liebe den Magen verkleinern lassen möchte, hat man den Glauben an ein Happy End verloren.

Das Gastspiel des Russischen Nationaltheaters Lessja Ukrainka hat auch einen ernsten karitativen Hintergrund: Der Erlös der Vorstellung heute Freitag (24.5.) um 19.30 geht zur Hälfte an die Sommer-Erholungs-Aktion für „Tschernobyl-Kinder“.

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Bilder: Odeion/Irina Somova