Erinnerungen an Erinnerungen von Erinnerungen

SCHAUSPIELHAUS / THEATERJUGENDKLUB / MEMORIA

09/04/13 Während das „richtige“ Theater heutzutage nicht selten von der moralischen zur moralinsauren Anstalt verkommt und Kontoauszüge dramatisiert, setzt „die Jugend“ auf Literatur und Poesie. Das macht glücklich.

Von Heidemarie Klabacher

Der TheaterJugendKlub des Schauspielhauses Salzburg hat am Wochenende seine Jahresproduktion präsentiert. „Memoria“ heißt das Stück, das die Jugendlichen und jungen Leute zwischen 17 und 24 gemeinsam mit der Regisseurin Petra Schönwald entwickelt haben.

Haben sie sich vom aufgebauten Bühnenbild der Horwáth-Produktion „Zur schönen Aussicht“ inspirieren lassen? Wahrscheinlich. Jedenfalls spielt „Memoria“ im Hotel, spielt mit den Möglichkeiten der flüchtigen Begegnung von Menschen im Hotel, spielt mit den Erinnerungen, die sie mitschleppen und die ihnen Auswege versperren. Spielt sogar mit den Erinnerungen der Zuschauerin an Hotels, in die sie selber ab-gestiegen ist und der bei der Premiere gar nicht aufgefallen ist, dass das Bühnenhotel genau so vergammelt ist, wie das Hotels damals in…

Das ist aber nur eine „Neben-Erinnerung“. Denn „Memoria“ spielt nicht vor allem mit der Erinnerung an Schauplätze und Orte, also mit konkreten Bildern, sondern vielmehr mit der Erinnerung an Worte und Sätze. Spielt auf einer konkreten Ebene mit der Erinnerung an Gelesenes, spielt auf einer eher emotionalen Ebene mit dem „damals“ bei der Lektüre Empfundenen. Je ferner die Lektüre, umso subtiler wirken diese Erinnerungs-Stiche durch diese mitreißende Produktion.

Will man in den ersten Szenen jedem Zitat noch sofort auf die Spur kommen – was ohne Bibliothek zum Nachschlagen und ohne Computer zur Stichwortsuche gar nicht so leicht ist – gibt man das Literaturquizz-Gehabe alsbald auf. Zunächst genießt man den, von allen Beteiligten technisch hervorragend gesprochenen, Parforce-Ritt quer durch die Literaturgeschichte. Und dann lässt man sich in die geheimnisvollen Beziehungen dieser Menschen-Wesen immer tiefer hineinziehen.

Viel Kafka hört man. Allein das Wort „Wand“ erinnert in diesem Kontext an Haushofer. Erinyen im Chor blenden natürlich die Orestie und einen Haufen Mythologie ein (obgleich die drei Damen sich auch als Hexen in Macbeth hervorragend machen würden). Die oft sehr opulente Musik streift zugleich Erinnerungen an Kino-Erlebnisse, Lars von Trier, David Lynch – und klang nicht die Musik zur Haushofer-Verfilmung ganz ähnlich? Die hat als Kitsch in Bild und Ton genervt, hier dürfen eigene Bilder entstehen.

Das Faszinierendste an der Produktion „Memoria“ ist aber der überaus starke Sog, der den Begegnungen der absurden, geheimnisvollen oder verzweifelten Bewohner des „Hotel Memoria“ folgt. Es ist nicht ein abstraktes Spiel mit Zitaten. Das ist Vollblut-Theater, in dem dem Publikum in jeder Szene ein Spiegel für Eigenes geboten wird. Die Spiegelung ist natürlich für jeden und jede anders  – und so werden kaum zwei Personen zu „Memoria“ die gleichen Assoziationen entwickeln. Theater zum Mitspielen – aber doch bitte nur im Kopf - hier wird es Ereignis.

Memoria ist eine Produktion des TheaterJugendKlub Schauspielhaus Salzburg - eine weitere Aufführung gibt es noch morgen Mittwoch (10.4.) um 16 Uhr -  www.schauspielhaus-salzburg.at

Der TheaterJugendKlub am Schauspielhaus Salzburg unter der Leitung von Petra Schönwald hat in den vergangenen Jahren eine sehr eigene Form des jungen Theaters in Salzburg entwickelt. Die SpielerInnen im Alter von 17 bis 24 Jahren wollen sich nicht auf die sogenannten „Jugendthemen“ (Mobbing, Drogen, etc.) beschränken und entwickeln jede Saison ein eigenes Stück. Ausgangspunkt ist zunächst lediglich eine Idee, – in diesem Jahr war es das Thema Erinnerung und der Umgang mit Vergangenheit – die dann durch Improvisationen, literarische und filmische Einflüsse immer mehr an Form gewinnt bis hin zum fertigen Text. - So die Mitwirkenden über sich selber.

Bilder: Marco Riebler