Das Bankert von der „Zurückgebliebenen“

KLEINES THEATER / STALLERHOF

26/02/13 Fast war es ja eine Begegnung mit einer theatralen Nostalgie-Welt. Die „Volksstücke“ von Franz Xaver Kroetz, die in den siebziger Jahren ganz hoch gehandelt wurden und die deutschsprachige Theaterlandschaft überfluteten, sind unterdessen ebenso gründlich aus der Mode gekommen.

Von Reinhard Kriechbaum

Durchaus also eine Prüfstand-Situation für „Stallerhof“, mit dem das Stadttheater Bruneck an drei Abenden (22., 23. und 24.2.) im Kleinen Theater gastierte. Es ist ein Theatertext ganz nach Kroetz’schem Volksstück-Zuschnitt: Die (angebliche) Einsilbigkeit des Bauernmilieus ist zugespitzt auf knappste Dialoge. Um das zentrale Problem – in diesem Fall: der horrende Umgang mit einem behinderten Mädchen – wird nicht lang herumgeredet, die Situation ohne Umschweife zugespitzt. Kroetz‘ „Volksstücke“ enden zumeist in Mord und Totschlag, in diesem Fall erstickt die junge Mutter ihr Kind, bevor es ihr von der wohlmeinenden Fürsorge weggenommen wird.

„Ein böses Märchen vom Land“ hat Franz Xaver Kroetz als Untertitel geschrieben. Regisseur Claus Tröger lässt es als eben solches auf der Simultanbühne spielen: Heuballen, ein paar Sessel, ein Kruzifix, das so hoch aufragt, dass nur die Beine des Gekreuzigten Platz haben (Bühne: Klaus Gasperi und Katrin Böge Mair). Angezogen sind alle, als ob das wirklich in märchenhaft-bäuerlicher Zeit spielte.

Aber vielleicht ist gerade dies das Rezept, um das Publikum mit der Nase drauf zu stoßen, dass die Thematik eben keine von gestern, sondern eine zeitlos gültige ist. Soll man das Mädchen ausgrenzen, ihr sexuelle Gefühle und gar Mutterglück versagen, nur weil sie Spastikerin ist? In Zeiten, da Gen-Untersuchungen Behinderung zum „Unglücksfall“ degradieren, ist durchaus der eine oder andere Seitengedanke nötig.

Claus Tröger hat als Regisseur die Emotionen bestens im Griff. Da läuft vieles mit Andeutungen und einem gewissen Understatement, sogar, wenn der Säugling in seinem Kinderwagen mit der Windel erstickt wird. Cornelia Brugger, Jasmin B. Mairhofer, Kurt Kern und Oliver Pezzi schaffen es, sich in den durch und durch klischeehaft entworfenen Figuren gerade so weit zurück zu nehmen, dass der Zuschauer nicht hineingezogen wird in bäuerliche Kitsch-Bilder. Es bleibt genügend Freiraum bleibt für eigene Gedanken.

„Wenn’s Kind da ist, schau ich ob’s was word’n ist“, sagt der Knecht und Vater des Bankert. Und über Abtreibung wird intensiv nachgedacht: „… dass der Dreck rausgeht, wo er reingekommen ist.“ Franz Xaver Kroetz war nie ein Meister der feinen Klinge. Ob sein Stück heutzutage noch einigermaßen brauchbar ist, oder ob es nur dieses eine Mal gerettet wird von einer bemerkenswert guten Aufführung, das ist die Frage.

Bilder: Stadttheater Bruneck