Eine Intrige um Desdemonas schöne Beine

SCHAUSPIELHAUS / OTHELLO

23/02/12 Eine sehr gute Kritik ist angesagt – fürs Premierenpublikum. Zwar hat der eine oder andere schon leicht verzweifelt auf die Uhr geschaut, und einige haben die Pause zur Flucht benutzt. Aber im Grunde gab es diesseits der Bühne keine Ausfälle.

Von Reinhard Kriechbaum

Im Schauspielhaus arbeitet man sich an Shakespeares „Othello“ ab. Die Regisseurin Elina Finkel will uns kein Stück über einen negroiden, zum Außenseiter gestempelten Menschen vorführen. Möglicherweise ist ihre Absicht zu zeigen, wie schlicht Männer ticken. Sowie man ihnen eine Frau, die sie zu besitzen sie trachten, wegnimmt, werden sie richtig ungemütlich. Othello (Oliver Hildebrand) ist also kein Schwarzer, sondern ein wackerer Militarist, der dem Haarschnitt nach auch als Neonazi durchginge. Ein Pflichterfüller in des Dogen Armee, der ganz wenig denkt und fragt. Der Eifersuchts-Keim geht in ihm so schnell auf wie Kresse. Albert Friedl spielt einen Vorzugsschüler-Cassio und Antony Connor, mit sagenhaft dämlicher Blond-Perücke, Rodrigo als Ultra-Tölpel. Beide sind willige Werkzeuge des bösen Intriganten Jago (Volker Wahl). Brabantio (Georg Reiter) hat als Desdemonas Vater und Zivilist wenig Chancen gegen die Herren in weißen Hemden und Tarnfarben-Hosen. Olav Salzer stakst als Doge umher, Katharina Pizzera muss als Bianca aussehen wie eine Diskont-Hure.

So also spielt man einen Plot, der eindeutig als jener des Shakespeare-Stücks zu erkennen ist. Die Übersetzung von Gabriella Bußacker und Jan Bosse ist auf eine junge Theaterbesucher-Generation zugeschnitten, deren sprachlicher und gedanklicher Horizont sich tendenziell in SMS- und Facebook-Dimensionen bewegt.

Als halbwegs erwachsener Zuschauer langweilt man sich unsäglich. Keine Figur, die sich irgendwie entwickelte. Kein auch nur ansatzweise interessanter Typ, außer eben dem jovial sich gebenden Erzschurken Jago. Aber auch der ist eben nichts als geradlinig böse. Wo die Regisseurin wirklich hinzielt, wird nicht klar. Denn wollte sie es uns Männern so richtig hineinsagen, dann hätte ihr zu Desdemona (Sophie Hichert) mehr einfallen müssen als das Profil eines naiven Dummerchens. Und ihre Vertraute Emilia (Christiane Warnecke) sieht bei jedem Auftritt aus wie frisch verprügelt.

Man spielt auf einem riesigen schrägen Podium. Es gibt sonst keine Dekorationen und nur ganz wenige Utensilien. Viele Auftritte erfolgen durch Bodenklappen. In der Bühnen-Leere fallen schemenhafte Charakterzeichnung, geringe Bühnenpräsenz und auch desolate Sprechtechnik besonders auf. Bilanz: Männer haben Testosteron-Überschuss und Frauen sind auch nicht ganz dicht. Aber arm. Und Desdemona hat schöne Beine, um die sich eine Intrige gegen Othello schon lohnt.

Aufführungen bis 5. April – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Marco Riebler