Gibt es im Urwald Wölfe?
LANDESTHEATER / DAS DSCHUNGELBUCH
07/11/11 Ein hübscher Urwald mit Lianen und Fächerpalmen überwuchert die Bühne. So bunt die Flora, so vielgestaltig die Fauna: Da zischelt die elegante Würgeschlange Kaa, da brüllt der hinkende Tiger Shere Kahn, da springt der elegante Panther Bagheera - und da tobt Mowgli, das „Menschenjunge“, mit seinen Brüdern den Wölfen.
Von Heidemarie Klabacher
Einer Wölfin, die Zwillingsbabies aufgezogen hat, verdanken wir die Gründung Roms und das Abendland, wie wir es kennen. Der tapferen Wölfin Raksha verdanken wir die Rettung Mowglis, dessen Erwachsenenleben vielleicht nicht ganz so staatstragend, dessen Kindheit im Dschungel dafür sehr vergnüglich verlaufen ist. Er hat in den Tieren verantwortungsbewusste pädagogisch aber leicht überforderte Erzieher. Warum er etwa alle Vogelstimmen von A bis Z lernen soll, sieht Mowgli echt nicht ein: „Ich bin vielleicht kein ganz richtiger Wolf, aber ein Vogel bin ich schon gar nicht.“
Elisabeth Halikiopoulos ist ein fröhlicher geschickter Mowgli, der den Tieren einiges aufzulösen gibt. Peter Marton ist der wahrhaft elegante Panther Bagheera. Franz Supper - ja, der Tenor aus dem Opernensemble - ist als Bär Baloo ein liebenswürdiger Tolpatsch, der Ohrfeigen und Prügel mit größter Überzeugung androht.
Anja Klementi ist die Wolfsmutter und Rudelführerin Raksha, aber auch das hinreißende stotternde Stachelschwein Ikki. Als opportunistische Hyäne Tabaqui, vor allem aber als hypnotisierende Würgeschlange Kaa brilliert Britta Bayer. Und Gregor Hellinger ist der beeindruckend bösartige Tiger Shere Khan, aber auch der Affenkönig Bandar Khan. Seine Affenbande ist so lästig und ungehörig wie es sich gehört. Regisseurin Astrid Großgasteiger hat die Bewegungsmuster der verschiedenen Spezies genau studiert, die menschlichen Darsteller überzeugen auf tierischen Pfoten und Tatzen.
Ein ganz besonderes Vergnügen bietet - wie schon so oft - die Ausstattung von Manuela Weilguni: Mit gar nicht übertrieben vielen Versatzstücken schafft sie eine überzeugende, ebenso bunte wie geheimnisvolle Dschungelwelt.
Leider singen die Tiere auch. Auf die textlich und musikalisch gleichermaßen banalen "Songs" könnte man getrost verzichten. Zum Glück sind es nicht viele. Die Textfassung von Christoph Busche nach der Erzählung Kiplings bemüht sich, das Problem der Selbstfindung - Mowgli ist nun wirklich kein Wolf - aufzugreifen. Ob es zu den Kindern „rüberkommt“? Jedenfalls ist das Intermezzo bei den disziplinlosen Affen, mit denen Mowgli vor der Hausübung geflüchtet ist, beeindruckend und gibt zu denken.