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Der Winter von der leichten Seite

WINTERFEST / FLIP FABRIQUE

19/12/24 Will uns Alpenwappler der von kanadischen FLIP Fabrique entfachte kanadische Blizzard ins Bockshorn jagen, nach dem Motto: gegen Québec ist Kitz ein Witz? Alles Zirkus und Winterfest.

Von Erhard Petzel

So richtig frieren fällt schwer im geheizten Zelt, drum wird die Illusion klirrender Kälte über Anoraks nur für Aufbauarbeiten eingesetzt. Für die akrobatische Arbeit braucht es naturgemäß Bewegungsfreiheit mit tauglicher Ausstattung. Ausnahme der Clown, der sich den ministeriellen Ratschlägen zur Wintersicherung gemäß dick einmummeln lassen muss. Er firmiert als „kleiner Mann“ und erinnert in seiner zart-patscherten Schmächtigkeit etwas an Chaplins Tramp. Er ist auch der Dumme für das Programmtitelbild, wo er mit der Zunge an einem „vereisten“ Objekt fest friert oder durch das Publikum seiner Mütze im Staubsauger-Sturm nachjagen muss. Nach diesen blamablen Episoden legt er nach einem Akt des Widerstands gegen die leidige Winter-Inszenierung in Badeanzug und Baströckchen eine atemberaubende Show mit Reifen hin. Er begehrt bravourös auf gegen die ihm zugedachte Rolle als Tollpatsch, mit Beherrschung, Kunstfertigkeit und Vorzüglichkeit seines Körpers.

Spielt Ben Nasrallah für die Clownerie spaßige Honky-Tonk-Musik, erzeugt er durchgehend auf seinem technisch raffiniert aufgepeppten Pianino nicht nur Sequenzen von Barockbegleitung bis Impressionismus, sondern atmosphärisch stimmige Klänge zur Unterlegung der Rahmengeschichte. Dank ihm ist es vor allem ein Blizzard des Tastenkastens, wobei er sowohl musizierend wie physisch im lokalen Raumkonzept choreografisch verankert ist. Sein Instrument wird auch als Basis für akrobatische Aktionen missbraucht.

Die Elemente für Akrobatik sind Stangen, Bänder, ein riesiger Rahmen als Kubus, eine große Matte und ein großes Trampolin, die während der Aktionen fließend verschoben, ab- und aufgebaut werden. Der Bezug zum Thema ist dabei unterschiedlich eng. Nahe liegend, dass mit „Schneebällen“ und „Eisziegeln“ jongliert wird. Der Kubus zeigt sich fallweise transparent geschlossen, beispielsweise mit Tonabnehmern auf den Seitenwänden für groovende Schneeball-Percussion. Aufgestellt dient er einer großartigen Ménage-á-trois als Absprungbasis ins Trampolin, von dem wiederum auf ihn aufgesprungen wird, allerlei mögliche und unmögliche Figuren inklusive. Zum krönenden Abschluss hängt der Rahmen des Kubus und steht dabei auf einer Spitze. In der Rotation um diese diagonalen Achse bilden die zwei Akrobatinnen und fünf Akrobaten eine Pyramide und füllen damit die Diagonale aus.

Ob Salto von einer Stange zur anderen, beherzte Solos und Duos an den Bändern, in einen großen Rundtanz auskreisend, sie mit Handfassung ausgeliefert der Kraft eines menschlichen Trapezes, er am Schenkelspagat sich in den Höhen haltend, sie als Lohn für ihr Fundament einem erbarmungslosen Drehwurm ausgesetzt, oder ob die Kollektive auf der Matte und die Türme: Alle können auf Bens musikalischen Untergrund setzen.

Die Bodenakrobatik orientiert sich sowieso an Ballett-Ästhetik. Außer sie gibt die rauen Sitten auf dem Schulhof wieder (Thema Blizzard und Unterrichtsentfall). In der Regie von Olivier Normand wird der kanadische Winter von der leichten Seite gefasst. Zumindest ist ein Ernst der Lage nicht leicht zu erkennen, weil die Ansagen eines Frost-Ministeriums schwer verständlich sind. Reife Leistung von Bühnenbildnerin Marie-Renée Bourget Harvey, die auch das Klavier zu einem musikalischen Multifunktionsapparat einschließlich Nebelmaschine zurecht baute. Viel Zwischenapplaus eines animierten und beeindruckten Publikums.

Bis 5. Jänner im großen Compagniezelt im Volksgarten – Das Winterfest dauert bis 6. Jänner 2025 – www.winterfest.at
Bilder: Winterfest / Magdalena Lepka

 

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