Ja dürfen's das denn?

KLEINES THEATER / ELISABETH II.

13/10/24 Bernhard um-fassen? Nachlassverwalter Peter Fabjan und der Verlag werden es erlaubt haben... Thomas Bernhards Stück Elisabeth II. – Keine Komödie kommt im Kleinen Theater jedenfalls in einer sehr frei um-interpretierten Fassung von Cassandra Rühmling auf die Bühne. Hauptfigur Herrenstein ist Herr und Dame zugleich.

Von Erhard Petzel

Mit dem Großindustriellen Herrenstein schuf Thomas Bernhard eine seiner typischen Figuren à la „Weißer alter Mann“. Allein dessen Name assoziiert altösterreichischen Adel, die Beziehung zu Queen Elisabeth II. stellt sich aber als recht trivial heraus: Vom Balkon des Palais Herrenstein gegenüber der Oper kann man den Festumzug mit der Queen herrlich beobachten. Herrenstein ist das natürlich widerlich, aber seinem Neffen erlaubte er zu kommen und zuzuschauen. Besagter Neffe trommelt natürlich eine riesige Gesellschaft zusammen, die sich zum Schluss auf den Balkon drängt. Der hält der Last nicht stand und stürzt mit den Gästen in die Tiefe. Der skurrile Schlussdialog in Bernhard-Manier: Herrenstein schaut hinunter und meint lakonisch „Wahrscheinlich sind alle tot.“ Sein Bediensteter Richard drauf: „Sicher.“

Das wird bei Regisseiurin Cassandra Rühmling vorgezogen und bezieht sich auf die Gesellschaft, die endlich wieder abzieht. In ihrer „Fassung“ kommt einerseits die Verstrickung Herrensteins in alte Geschäfte heraus (seine vehemente Nazi-Schelte als Vergangenheits-Verschleierung?), andrerseits verschmilzt die Kritik im Buch eines Dr. Schuppich an den Machenschaften Herrensteins mit dem Lemurenhaften der Gesellschaft, die hier auch nicht vom Neffen eingeladen wurde. Die Bediensteten Richard (Torsten Hermentin) und Fräulein Zallinger (Prisca Buchholtz) übernehmen die wichtigeren Rollen. Sie mimen auch Doktor Guggenheim und Gräfin Gudenus, geben darin ihren Bediensteten-Status auf und sind als Trio mit Herrenstein verbunden (was die Polemik über die Schauspielerei schärft). In der Schlusssequenz wird dann auch die angebliche Erpressung Richards platziert, den Dienst zu quittieren. Herrenstein windet sich gar am Boden aus Angst, die beiden vertrauten Angestellten in seiner Endphase noch zu verlieren.

Der Spin dieser Inszenierung (dpk berichtet von der Generalprobe): Herrenstein ist kein fast toter Alter. Seine Darstellerin Cassandra Rühmling bemüht sich erst gar nicht, ein solcher zu sein. Ihr Räsonieren hat eine von der Originalfigur unterschiedliche Konsequenz. Im blauen Anzug und grauer Weste lümmelt sie leger auf einem Barockstuhl, der einer königlichen Hoheit würdig wäre, und bleibt auf diesem „Thron“ im Zentrum der Bühne.

Im philosophischen Disput wird sie dann von den Bediensteten entkleidet und erhält ein helles Hemd übergestreift, mit dem sie lange Sequenzen im gelben Bühnenscheinwerfer wie ein Engel agieren wird. Auch hat sie keine Beinprothesen wie das Original, wird stattdessen von den Bediensteten öfters an Beinen und Füßen massiert. Sind es hier denn Bedienstete? Vielleicht sind sie ja auch Pflegekräfte oder Wärter. Etwas befremdlich bleibt deren abstrakt choreografiertes Auftreten entlang eingefahrener Wegschienen.

Ist die hier mit einer agilen Schauspielerin besetzte Figur des Herrenstein wirklich behindert oder krank? Wenn er über Macht philosophiert, ist sie hier in der letzten Konsequenz angewandt, wo alle drauf eingehen, was er offensichtlich nur vorspielt? Oder spielt man aus Mitleid mit einer Verrückten mit, die sich äußerst verhaltensauffällig in eine Machtrolle hinein imaginiert und dazu Leiden simuliert? Dazu passte der frei erfundene Schluss, in dem Elisabeth II ankündigt wird und Herrenstein/Rühmling sich selbst dazu in Pose setzt. Mit ihren roten Haaren allerdings eher an die große Vorgängerin erinnernd. Der Rollstuhl jedenfalls steht umsonst am Rand der Bühne. Auch sonst wird Ausstattung eingespart. Papier wird nur pantomimisch überreicht und zerknüllt, für die akustische Umsetzung steht Robert Kainar Pate, der vor allem für die Erfüllung der Geräuschkulisse zuständig ist und Stimmungs-Hintergründe liefert. Er begleitet den von Fräulein Zallinger gesungenen Chopin.

Bernhard also weitgehend verfremdet. Damit werden verschiedene Bezugspunkt tatsächlich verschärft, aber nicht alles geht auf. Die Spitzen auf Oper und Burg passen doch besser zu einem Greis. Und da der Ohrensessel aus dem Schlafzimmer von Anfang an besessen ist, bleibt die Aufregung darüber unverständlich. Wer sich einen typischen Bernhard erwartet, wird nicht ganz zufrieden gestellt sein. Wer sich auf eine Umdeutung einlässt, wird sich an Rühmlings Verve erfreuen.

Elisabeth II. - Keine Komödie – bis 8. November im Kleinen Theater – www.kleinestheater.at
Bild: Foto Flausen