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Tragische Heldin Medea

SCHAUSPIELHAUS / DAS GOLDENE VLIES

26/09/18 Beim zweiten Anlauf am Dienstag (26.9.) konnte man das „Goldene Vlies“ von Grillparzer auf der Bühne des Salzburger Schauspielhauses ohne Zwischenfälle sehen. Am eigentlichen Premierentag vorige Woche hatte sich die Hauptdarstellerin so schwer am Ellenbogen verletzt, dass die Vorstellung nach fünfzig Minuten hatte abgebrochen werden müssen.

Von Werner Thuswaldner

Nun stand Darstellerin der Medea, Kristina Kahlert, also mit einem schwarz verbundenen Arm wieder auf der Bühne und meisterte das vielfältige Bewegungsprogramm, das ihr die Regie abverlangt, bravourös.

Die Herausforderung, der sich das Theater stellt, ist außerordentlich groß. Man staunt über den Anspruch, den die Bühne an sich stellt und auch über das Vertrauen ins Publikum. Franz Grillparzer, der mit viel Mut den Weimarer Klassikern, Goethe und Schiller, zeigen wollte, dass auch er in die Antike abtauchen könne, um Verwertbares ans Tageslicht zu holen, wird vielfach als sperrig, als nicht ohne weiteres zugänglich eingeschätzt. Ein Fehlurteil, wie die Inszenierung Christoph Batscheiders bewies.

Das „Goldene Vlies“ muss nicht aus der Mottenkiste geholt werden. Die Theater kommen immer wieder auf die Trilogie zurück. Der Grund: Vom Publikum wird erwartet, dass es sich im komplizierten Netzwerk der griechischen Mythologie ein wenig auskennt, mit den Verwandtschaftsverhältnissen der handelnden Personen – zum Beispiel zwischen Menschen und Göttern – und mit den Örtlichkeiten. In Kolchis etwa, wo Medea herstammt, ist man noch in, gelinde gesagt, vormodernen Verhältnissen verstrickt, während in Korinth, von wo Jason aufgebrochen ist, die Zivilisation schon weit fortgeschritten ist. Aber da wie dort hält man große Stücke auf das magische Widderfell, das Goldene Vlies, weil es dem Besitzer übernatürliche Kraft verleiht.

Die Geschichte von Jason, der dem Zauberfell nachjagt, in Kolchis auf die rätselhafte, ungebärdige Königstochter Medea trifft, ihr verfällt und sie mitnimmt in seine Heimat, wird plausibel und mit durchgehender Intensität erzählt. Dem Ensemble gelingt es, das Publikum während der ganzen dreistündigen Aufführungsdauer bei der Stange zu halten. Es gibt reichlich Spannungsmomente, die Sprache ist schlank und es ist von Themen die Rede, die erstaunlich zeitnah sind: so das Migrationsmotiv und die Verwandlung einer innigen Liebesbeziehung – jener zwischen Medea und Jason – in heftigsten Streit. Der Grund: Medea ist Jason in ihrer Heimat überaus attraktiv erschienen, in Korinth dagegen sieht er sie als Halbwilde und will sich trennen.

Kristina Kahlert treibt die Identifikation mit der Rolle der Medea sehr weit. Jederzeit glaubt man, dass dieser Frau voller Energie überirdische Kräfte zur Verfügung stehen. Wohltuend auffällig ist die sprachliche Disziplin. Medeas Amme bekommt durch Ute Hamms eigenwillige Darstellung starkes Profil. Jason (Simon Jaritz) ist zu großer Euphorie fähig, erweist sich aber als Schwächling, als moralisch anfechtbar. Positiv fällt Marcus Marotte als verschlagener Kolcherkönig mit charakteristischer Stimme auf. Sein Königskollege in Korinth ist Harald Fröhlich, ein selbstgerechter, mitleidloser Mann. Theo Helm bewährt sich gleich zweifach als antiker Krieger, wie er im Bilderbuch steht, unerschrocken und bedächtig deklamierend.

Isabel Graf hat eine kostengünstige, schwarze Ausstattung geschaffen, bestehend aus verschiedenformatigen Quadern, die sich immer wieder neu gruppierend lassen, einmal eine felsige Küste suggerieren, ein andermal einen Königspalast. Georg Brenner setzt starke Musik/Geräuschakzente.

Dem Schauspielhaus ist eine Produktion gelungen, die dem hohen, selbstgesteckten Ziel gerecht wird.

Aufführungen bis 24. Oktober – www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Jan Friese

 

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