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Über das Salzburger Rollfeld rumpeln

SOMMERSZENE / GOLD EXTRA / STRANGER HOME

07/06/18 Keines Freilassingers Ohren werden von zusätzlichem Flugverkehr malträtiert, obwohl „gold extra“ bei der Sommerszene in diesen Tagen viele Starts und Landungen hinlegt während der gut anderthalbstündigen Performance „Stranger home“. Irgendwie scheint das imaginierte Flugzeug nämlich keine Höhe zu gewinnen.

Von Reinhard Kriechbaum

Nehmen wir das doch gleich als eine schöne Metapher, sei sie nun gewollt oder so bösartig wie nur hinein interpretiert: Wer in Salzburg zum Höhenflug ansetzt, läuft immer auch ein wenig Gefahr, dass der Transport am Boden picken bleibt und sich die Sache wie ein permanentes Rumpeln über das Rollfeld anfühlt.

So, wie wir die Leute von „gold extra“ – Sonja Prlić, Tobias Hämmerle, Karl Zechenter, Reinhold Bidner – zu kennen glauben, ist ihnen Ironie nicht fremd. Und gleich vorweg: Auch auf den Humor kann man sich bei dieser Künstlergruppe verlassen. Das macht ihre gesellschafts-, in diesem Fall auch stadt-kritische Ernsthaftigkeit meistens auch zu einem lustvoll zu konsumierenden Erlebnis.

Zwei Stewardessen (Martina Dähne, Dorit Ehlers) sind die Begleiterinnen der sechzehnköpfigen Schar beim Premieren-Flug. Sie führen sich ganz so auf wie echte Vertreterinnen ihrer Spezies. Vielleicht lächeln sie noch perfekter. Abflug beim Zentrum im Berg, in einem kleinen, engen Bus mit zugehängten Fenstern. Vorhang zu auch vorne, kein Blick auf den Piloten – ein echter Blindflug. An mehreren Stationen heißt es aussteigen. Jetzt sind die Zweierteams gefordert: Ein roter Punkt ist – möglichst punktgenau, versteht sich – auf einem Stadtplan dort zu platzieren, wo man zu sein glaubt. Der Schreiber dieser Zeilen, der seine Augen schon seit 35 Jahren in Salzburg spazieren trägt, hatte da entschieden bessere Karten als seine aus der Fremde stammende Teamkollegin. Aber einmal (den Stadtteil verraten wir nicht) hatte Hannah den entscheidenden Riecher, weil sie als Schauspielstudentin im Mozarteum in der Gegend schon gewohnt hat. Punkt gerettet. Wir wollen nicht protzen, aber es muss einfach gesagt sein: Das gelbe Trikot hatten Hannah und ich bald erobert und mussten es nicht mehr abgeben.

Die „Flugstrecken“ zwischendurch sind auch alles andere als langweilig. Da kann man erfahren, wie ungefähr Salzburg tickt. In Form von Quizfragen wird einiges an Erstaunlichem vermittelt. „Wahr“ oder „falsch“ - Täfelchen sind hoch zu halten, und nicht selten kommen die acht Teams zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen.

In diesen Fragen schleicht sich der Umgang mit der Zeitgeschichte ein. Die Erinnerung an Sinti und Roma. Auch Misstände oder zumindest im Alltag als unangenehm empfundenes Aktuelles kommt zur Sprache. Immer mit Ironie, immer mit Augenzwinkern, immer mit einem unaufdringlichen Touch von Kritik. Ob die Leute von „gold extra“ nun Salzburg lieben oder hassen? Das bleibt offen, und das ist nicht schlecht so. Ach ja, stimmt es, dass es in Salzburg 1200 Leute mit Namen „Maier“ (in unterschiedlichen Schreibweisen) gibt? Wer sich einen Rätsel-Startvorteil verschaffen will, sollte vor Besuch der Performance mal kurz im Telefonbuch nachzählen. Gibt es eigentlich noch Telefonbücher?

Schade, dass wir hier so gut wie nichts verraten dürfen. Nicht, wo sich die Blech-Fassade, Rückwand eines Einkaufszentrums, fast bedrohlich gegen den Plattenbeton-Wohnbau stellt. Und auch nicht, wo das Rokoko-Schlösschen steht, dessen Fassade nicht wenige Teilnehmer mit staunendem „Oh“ und „Ah“ quittiert haben. Die Lehre: Es gibt im unbekannten Salzburg, diesem „Stranger home“, auch echt Schönes. Aber die Un-Orte überwiegen. Was tut eigentlich seit Jahrzehnten der Gestaltungsbeirat? Darüber sollte man vielleicht mal reden.

Die meisten der insgesamt zehn Performances sind bereits ausverkauft – einen Versuch, einen Flugticket im super-engen Rumpelbus zu ergattern, ist das Vergnügen aber allemal wert.

„Stranger home“, Performances für Kleingruppen (16 Teilnehmer) bis 16. Juni – www.szene-salzburg.net
Bilder: Sommerszene / gold extra

 

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