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Wahrheit oder Tod?

THEATER IM KUNSTQUARTIER / VERRAT. ANPASSUNG. WIDERSTAND

16/05/18 Durch den Bühnennebel dringt einzig die gesungene Zeile „Qui es?“ Die zentrale Frage. „Wer bist du?“ Im Spiel mit der Geschichte von Galileo Galilei versteht es die Regisseurin Carmen Schwarz nicht nur, den Wissenschaftler, sondern auch das Publikum mit dieser Frage zu konfrontieren. „Verrat.Anpassung.Widerstand“ ist ein spannendes „Spiel in Raum und Zeit“.

Von Laura Trauner

Als der vor die Inquisition geladene Galileo Galilei 1633 in einer römischen Kirche florentinischer Gesandter seiner Lehre der Erdbewegung um die Sonne abschwört und damit sein Leben rettet, ist nicht abzusehen, dass er damit einen jahrhundertelangen Diskurs zwischen Kirche und Wissenschaft entfachen wird.

In der Bühnenfassung von Carmen Schwarz bangen aus wissenschaftlichen Position mit Galilei zunächst nur seine beiden Schüler, der Sohn seiner Haushälterin, Andrea Sardi, und der wenig ältere Cosimo de Medici, die in zahlreichen Rückblenden zur Ausgangsszene 23 Jahre Forschungsarbeit zusammen mit ihrem Meister Galilei aufrollen.

„Verrat.Anpassung.Widerstand. Ein Spiel in Raum und Zeit“ entstand im Rahmen eines Schwerpunkts zur Zukunft des epischen Theaters am Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum. Überzeugt hat nicht nur die Arbeit von Carmen Schwarz, Regiestudentin im diesjährigen Abschlussjahrgangs, sondern auch die Performance von Felicia Chin-Malenski, Chris Eckert, Madeline Gabel und Felix Kruttke, ebenfalls aus dem dritten Jahrgang. Betreut wurden sie von ihrer Mentorin, Dramaturgie-Dozentin Andrea Koschwitz.

Felix Kruttke, einer der beiden Galilei-Darsteller sowie Wissenschaftler des Inquisitions-Prozesses, untermalt mit gesanglichen Einwürfen, wie „metodum solum diritum“ oder „qui es?“ die Gedankengänge der Protagonisten. Derweil umringen Felicia Chin-Malenski und Madeline Gabel den Galilei der Rückblenden, Chris Eckert, nicht nur als wild gestikulierende Wissenschaftler mit gehörigem Diskussionsbedarf, sondern lassen ihn auch als Vertreter der katholischen Kirche hinsichtlich der nicht gestatteten Verbreitungsmöglichkeiten seiner Forschungsergebnisse wortwörtlich um Luft ringen.

Szenisch umgesetzt wird sein kräftezehrendes Gegenargumentieren der kirchlichen Einwände nämlich durch ein Seilsprungszenario, wobei sich der Sprung in eine Neuanschauung des Planetensystems schnell als gefährlicher Drahtseilakt zwischen Wahrheitsverbreitung und Autoritätsunterordnung erweist.

Ähnlich schwarz-weiß wie die Ausgangsmöglichkeiten des Inquisitionsprozesses, gestaltete Yvonne Schäfer Kostüme und Bühnenbild: So sieht man vor allem weiß gekleidete Gestalten, die im schwarzen Raum mit weißer Kreide Jahreszahlen an die Wand schreiben, um so die verschiedenen Szenenausschnitte zu datieren.

Auch werden Planetenbahnen auf den Boden gezeichnet, die nicht nur das Sich-im-Kreis-Drehen der Wissenschaftler untermalen, sondern auch aufzeigen, dass der drüber gehende Galilei, aus kirchlicher Sicht, damit buchstäblich eine Linie überschreitet…

Als korrelierend mit der Unklarheit der Protagonisten über den Prozessausgang erweist sich auch der verschleiernde Bühnennebel. Den einzigen Farbklecks bilden die roten Westen von Galileis Schülern, für die es letztendlich nicht mehr wichtig ist, ob ihr Meister für die Wahrheit einsteht. Denn „Autorität und Wahrheit gehören nicht zusammen und ebenso gehören zusammen Wahrheit und keine Autorität“.

Ein grandioses Gedankenspiel, das durch grandiose Performance und fabelhaftes Zusammenspiel von Ausstattung und Darstellung überzeugt – und zeitlicher Verortung in der Renaissance noch immer den Geist der Zeit trifft.

Bilder: Universität Mozateum/Lou Hinderhofer; Yvonne Schäfer

 

 

 

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