Niemand kümmert sich um die Benachteiligten

SCHAUSPIELHAUS / NIEMAND

16/03/18 Das Schauspielhaus unterzieht sich der Strapaze, das noch nicht lang bekannte Jugendwerk „Niemand“ von Ödön von Horvath aufzuführen. Für das Publikum wird viel Vorausweisendes sichtbar, es muss aber auch eine gehörige Portion Geduld aufbringen.

Werner Thuswaldner

Die Frage, ob „Niemand“ von Horvath ein Stück ist, das unbedingt gespielt werden sollte oder ob es weiterhin in Archiven gut aufbewahrt wäre, ist mit der Inszenierung des Schauspielhauses, die am Donnerstag (15.3.) Premiere hatte, nicht eindeutig beantwortet.

Zu erfahren ist in Dialogen, die sich lang hinziehen, was dem 23-jähigen Horvath in den bewegten frühen zwanziger Jahren so alles durch den Kopf gegangen ist. Rigorose Striche hätten nicht geschadet, weil die Aussagekraft der Sätze doch erheblich schwankt und Bedeutungsschweres mit Banalem oft hart aneinander gerät.

Es sieht nach einem Kraftakt aus, denn Horvath bringt gleich rund zwei Dutzend Charaktere auf die Bühne.

Es sind die Bewohner eines Mietshauses. Sie repräsentieren die unteren Schichten der Gesellschaft und sehen vermutlich so aus, wie George Grosz die Gauner, Huren, Zuhälter, Ausbeuter und Opfer dargestellt hat. In diesem Punkt tun sich ernste Bedenken auf: Das Ensemble des Schauspielhauses besteht vor allem aus sympathischen jungen Leuten, die weit davon entfernt sind, mit fragwürdigen Gestalten der Unterwelt in Verbindung gebracht zu werden. So verrucht können sie sich auf der Bühne gar nicht gebärden, um den Grosz-Figuren, die im Programmheft zu sehen sind, nahezukommen.

Regisseur Rudolf Frey vermittelt dem Publikum, dass Horvath in seiner Frühzeit mit dem Expressionismus sympathisierte. Zu diesem Zweck hält er das Ensemble zu bizarren Bewegungsabläufen an. Nach einer kurzen Zeit der Eingewöhnung, findet man sich damit ab. Für Verfremdung sorgt auch Bühnenbildner Vincent Mensnaritsch, der eine großzügige Spielfläche vorsieht, die von weißen, schrägen Wänden begrenzt ist. Diese Schräge immer wieder hinauf und hinunter zu überwinden, erfordert einiges an körperlicher Tüchtigkeit. Am besten gelingt es mit Anlauf. Einige rutschen die Schräge einfach hinunter.

In den Wänden gibt es allerlei aufklappbare Türchen, durch die die Figuren auftauchen und verschwinden. Ein Motiv, das vom Adventkalender inspiriert sein könnte. Es wird sehr viel gerannt. Eine Prostituierte, die große Probleme hat, genügend Kundschaft aufzutreiben, tut sich besonders hervor und legt an dem Abend gewiss einige Kilometer zurück.

Doch es gibt zum Glück immer wieder Momente, in denen aufblitzt, was in späteren Horvath-Stücken deutlicher ausgebreitet wird. Ein Beispiel ist Horvaths Fähigkeit, sich in ausgenützte, vom Leben schwer benachteiligte junge Frauen einfühlen zu können. Eindruck macht ein jüdischer Musiker und natürlich Julia Gschnitzer, die unnachahmlich verwundert in die Welt schauen kann.

Im Teil nach der Pause gewinnt das Stück mehr Kontur, es wird die tragische Geschichte zweier ungleicher Brüder dargestellt, deren Rivalität bis zum Äußersten geht. Wer der im Titel erwähnte „Niemand“ ist, wird auch geklärt. Es ist Gott, der ausgiebig angeklagt wird, weil er seine Schöpfung offenbar im Stich gelassen hat.

Neben den bewährten Haudegen und -deginnen sind im Schauspielhaus viele jüngere Talente am Werk: Theo Helm in der Rolle des verkrüppelten Hausherrn muss einiges an Pathos abliefern. Wie viele andere fällt er durch gute Sprache auf. Das trifft auch auf Simon Jaritz als den wieder aufgetauchten Bruder des Hausbesitzers zu. Agnes Herrlein erscheint als eine reife Horvath-Figur, eine von denen, die sich vergebens gegen die Hoffnungslosigkeit aufbäumen.

Niemand – Aufführungen im Schauspielhaus bis 23. April - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus / Jan Friese