Nabelschau mit Background-Horror

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / ROCKY HORROR

05/03/18 Während in den gut vierzig Jahren der Film seine leichtfertige Frische nicht verloren hat, bei der Sexualität mit ihrer bis ins Morbide reichenden Überfülle über ironischen Witz verhandelt wird, zeigen bekenntnishafte Botschaften zu sexueller Orientierung immer wieder die Neigung zu anklagender Erdenschwere.

Von Erhard Petzel

Der Kultfilm „The Rocky Horror Picture Show“ wird mit einem schüchternen Reisregen während der Hochzeitsszene unterstützt, der Wolkenbruch vor Frank‘nfurters Schloss mit der gefälligen Spritzpistole. Ansonsten bleibt das Publikum unbehelligter Konsument. Die Bühne füllt sich erst zum Time-Warp mit einer Seifert’schen Tanztruppe, choreografiert von Jan Oechler: Die „Rocky Horror“ nach einem Konzept Mattia Cedric Meiers im Großen Studio des Mozarteums.

Versprüht der Film Lust, vermittelt das multimediale Projekt Leiderfahrung. Gerade dieser Kontrast legt die Frage nahe, ob nach Aufarbeitung diverser Missbrauchsskandale, der Entwicklung von Multigendermodellen auf Internetplattformen und der juridischen Aufarbeitung sexueller Diskriminierung die nachkindliche Arbeit an der persönlichen Geschlechtswerdung auf diese Weise noch Lebensqualität oder Erkenntnis fördert.

Landet der Alien-Vampir mit dem Lift, fällt die erste Leinwand und gibt einen pyramidenartigen Bühnenaufbau frei. Der wird von Mattia Meier, Felicia Chin-Malenski, Elias Füchsle und Jonathan Heidorn bevölkert, die Figuren und Geschehen des Films auf eigentümlich hölzerne Weise paraphrasieren, unterstützt von zwei Schaufensterpuppen, die nicht gänzlich unbehelligt bleiben werden. In den Originalfilm eingeschnitten landen fünf Personen mit unterschiedlichem Hintergrund ihre Wortspenden zu Sexualität und Gesellschaft.

Von verschiedenen Standpunkten aus wird vordringlich Homosexualität abgehandelt, die eigene Befindlichkeit ausgebreitet und die gesellschaftliche Situation problematisiert. Frühere Unterstützung seitens der Krankenkasse bei Transgender-Behandlung, der Wunsch nach Präsenz homosexueller Leitbilder in den Medien und das Bedürfnis nach Vertrauen werden in unterschiedlicher Folge und Schnitttechnik über und zwischen dem Originalfilm eingefordert.

Auch Chin-Malenski und Füchsle finden sich später im Interview-Reigen, während sie über die Bühne und durch das Publikum stochern oder pantomimisch, im Fall von „Touch Me“ sogar mit voller Stimme, die Posen der Filmstars mitvollziehen.

Meier bleibt im weißen Arbeitskittel als Anti-Frankie lange Zeit farblos, um schließlich zur Show im 2. Stock im rosa Kleid zu pantomimischer Hochform aufzulaufen. Die Bühne dominiert dann in buntem Leuchten, der Film ist auf eine kleine Leinwand oberhalb des Bühnenrahmens verbannt und wird erst zum Nachspann geschickt herabgezoomt, nachdem die drei Bühnenakteure in der Versenkung verschwunden sind. Ein leuchtender Globus gleitet als Schlussgag herab, natürlich verkehrt herum.

Wer sein persönliches Anliegen über ein Vokabular von Menschen mit besonderen Bedürfnissen präsentiert, möchte Empathie ernten. Da ist Mitleid nicht weit, vielleicht nicht das stärkste Mittel zur Selbstermächtigung. Was, wenn Lachen leichter Abgründe überwinden hilft? Wenn sich also die kathartische Wirkung des Abends auch in Grenzen gehalten hat, setzte es reichen Applaus im vollen Saal.

Bilder: Universität Mozarteum / Thomas Bernhard Institut