Wutbürger gegen rechtsradikale Gfrieser

KABARETT / MOTZART / I STANGL

01/02/18 In Salzburg war das natürlich nicht so. Doch sonst zeigen oft „parkende Autos in der Tiefgarage mehr Empathie, als die Untoten im Publikum“. Kein Wunder, das I Stangl auf Wutbürger und Golfer umsatteln und in Pension gehen will. Dem Publikum wird er fehlen.

Von Heidemarie Klabacher

Einen HC hat es schon 1981 gegeben, als ein „junger schlanker rothaariger Kabarettist“ noch mit dem nicht aufgelegten Vierteltelofon des Nachbarn hadern musste. Der HC von 1981 hieß Heinz Conrads, den sich freilich schon „damals“ nur mehr die Halbtoten angeschaut haben. Heute – anno 2018 – erinnern sich überhaupt nur mehr etwas reifere Semester daran, dass es diesen HC auch einmal gegeben hat.

I Stangl der Große blickt in seinem Abschiedsprogramm „Habe fertig“ vor allem auf die letzten zwanzig dreißig Jahre zurück. Und ekelt sich vor der Gegenwart. Als Kind hatte er es aber auch nicht leicht, waren doch Eltern damals noch Respektspersonen, flogen die Watschen tief... Das kam am Mittwoch (31.1.) in der ARGEkultur alles fast ein wenig zu bitter im Ton rüber, als dass es nur komisch gewesen wäre. – Etwa, dass es mit einem stolzen Nazi-Vater ein anderes Kirschenessen war, als mit einem Betroffenheits-Gutmenschen von heute.

Wirklich witzig und triefend von Selbstironie waren Passagen wie etwa der Rückblick auf die Lateinamerika-Chili con Carne-Nudelsalat-WG-Zeit, in der man mit jedem Löffel Chili aktiv kämpfte an der peruanischen Kampffront gegen den US-amerikanischen Imperialismus. Und erst die Festln! „G‘soffen. G’raucht. G’spiebn.“ Die große Zeit der Festln ist auch vorbei. „Heute gibt’s bei keinem ‚Event‘ mehr einen Nudelsalat.“

Und die Telefone waren noch nicht gleich groß, aber flacher als eine Zigarettenschachtel. Und fotografieren konnte man mit den starrköpfig lokalen Dingern auch nicht. Wirklich blöd, dass keine jungen Leute ins Kabarett gehen. Bei I Stangl hätten sie noch in letzter Minute lernen können, wie „damals“ fotografiert wurde. Selbst wer selbst noch mit 36er Filmrollen hantiert hat, hatte ein Aha-Erlebnis.

Bildung – nach zwei drei Semestern Uni ist man „Bachelor“ und qualifiziert fürs Vollzeit-Prekariat – war auch so ein Thema, dass gar nicht witzig ist. Menschen mit Bildung: „Die sondern einen Duftstoff ab, der jeden FPÖler in Rage bringt.“ Wozu überhaupt teuer ausbilden, wenn es ohnehin große Bildschirme und Gratiszeitungen gibt?

Weil er aber erkennen musste, dass Kabarett nichts – aber auch gar nichts verändert – und er die Ungerechtigkeiten nicht mehr aushält, zieht sich I Stangl von der Bühne zurück. Auch dort herrscht nur Ungerechtigkeit: Er, Stangl, allein auf dem Podium, fünfzig Quadratmeter ganz allein. Wir, das Publikum in Batteriehaltung zusammengequetscht... Kein Wunder, dass so ein Kabarettist an der Zweiklassengesellschaft verzweifelt.

Politische Korrektheit (Inuit- statt Eskimo-Eis), Altersweisheit und damit einher gehende existentielle Fragen (Wozu haben Kamikaze-Flieger Helme getragen?) oder Schönheits-Chirurgie (sollte besser Perchten-Schnitzen genannt werden) kamen zur Sprache. Falls es DOCH einen Himmel gibt, hat I Stangl einen Plan B für mehr Demokratie dort oben! Deutsche Sprache („Fahr ich Kika“ – „Fahr ich zu Kika“ – „Gut, fahr ich morgen Kika“), Frauenverachtung und Verschwörungstheorien: Einmal Stangl mit alles.

Mancher Bissen blieb auch im Halse stecken: I Stangl ist für eine Burka-Verpflichtung. Weil er sie nicht mehr aushält, die rechtsradikalen Gfrieser. I Stangl, wir werden Sie vermissen!

Ab 1960 besuchte er Schulen wie VS, HS und Gastgewerbefachschule. Absolvierte dann die Akademie für Sozialarbeit, entschied sich 1981 aber doch lieber Kabarettist zu werden. Leitete 1992 bis 2001 das Kabarett Niedermair in Wien, produzierte Musicals für Kinder und Theaterstücke, spielte in Filmen und auf Theaterbühnen, schrieb Bücher und Theaterstücke. Mit seinen Kabarett-­Programmen gastierte er weit über zweitausend Mal im gesamten deutschen Sprachraum.

Bilder: Maria Altmann und Andreas Hauer